Eigentlich wurde der Integrationsbericht ja erst am Dienstag von der zuständigen Ministerin Susanne Raab (ÖVP) präsentiert. Aber wie so oft wurde das, was aus Sicht der Türkisen bei den Menschen hängenbleiben soll, schon ein paar Tage vorher an ausgewählte Medien gespielt. In der "Krone" erfuhren wir, dass ein Viertel der Menschen in Österreich Migrationshintergrund hat, also entweder selbst zugewandert ist oder Eltern hat, die das getan haben. Das merke man in den Schulen, hieß es weiter: Rund ein Viertel hätte eine andere Umgangssprache als Deutsch, in Wien über die Hälfte.

Diese beiden Zahlen sind allerdings nichts als eine Zustandsbeschreibung, die keinen Rückschluss darüber zulässt, wie es um die Integration in Österreich steht. Es schwingt hingegen mit: Es fremdelt im Land.

Ministerin Susanne Raab (ÖVP).
Foto: imago images/SKATA

Jeder Vierte in Österreich hat also Migrationshintergrund. So what? Diese Gruppe umfasst genauso Raabs Ministerkollegin Alma Zadić wie den arbeitslosen Afghanen, der im Zuge der Fluchtbewegung 2015 nach Österreich kam – oder auch den Chef der Statistik Austria, Tobias Thomas, der dies mit einem Lächeln bei der Präsentation des Integrationsberichts betonte.

Und die vielen Schülerinnen und Schüler, die eine andere Umgangssprache haben als Deutsch? Laut der Vorsitzenden des Expertenrats für Integration, Katharina Pabel, ist das per se nicht problematisch. Diese Nachricht fehlte allerdings in der am Wochenende transportierten Botschaft. Hier konnte man – und sollte man vielleicht auch – herauslesen: Diese Kinder sprechen zu schlecht Deutsch. Wie groß das Problem tatsächlich ist, lässt der Bericht offen.

Parallelgesellschaften

Die Studie umfasst zwar auch Zugezogene aus EU-Staaten – Deutsche sind die mit Abstand größte Gruppe –, ebenso Menschen, die aus Drittstaaten nach Österreich kamen. Gemeint waren in den Ausführungen Raabs allerdings vor allem Geflüchtete, die seit 2015 gekommen sind. Zwar machen Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak nur 1,4 Prozent der in Österreich lebenden Bevölkerung aus, Raab dramatisiert aber lieber: Da seien so viele Menschen gekommen, wie in Klagenfurt leben! Und dramatisch sei die Lage auch in Wien, da würden sich Parallelgesellschaften bilden und Brennpunkte entstehen. Auf die Frage, wo genau es in Wien denn brenne, kam keine konkrete Antwort.

Dürftig sieht es auch auf der Lösungsebene aus. Expertin Pabel sieht Ganztagsschulen und das zweite verpflichtende Kindergartenjahr als wichtige Instrumente zur Verbesserung von Sprachkenntnissen an – für Österreicherinnen und Österreicher übrigens der Gradmesser dafür, ob jemand dazugehört oder nicht. Aber bei der Ganztagsschule mauert die ÖVP seit Jahren, und Raab setzt diese Tradition fort. Die Ministerin sieht vielmehr die Eltern von Schülerinnen und Schülern mir schlechtem Deutsch in der Pflicht. Wie das gehen soll, wo zuvor betont wurde, dass auch sie diese Sprache schlecht beherrschen, ist fraglich.

Fakt ist: Tendenziöse Überschriften ersetzen keine Integrationspolitik, für die die ÖVP im Übrigen seit Jahren verantwortlich ist. Natürlich, der Zuzug 2015 ist eine Herausforderung. Deswegen braucht es nun die großen Würfe, von denen viele Experten schon seit Jahren sprechen. Ihre Empfehlungen bleiben aber auf der Strecke. Aufgeblasen werden hingegen einfache Botschaften, die Ressentiments schüren können und vielleicht – immerhin ist Wien-Wahlkampf – auch sollen. (Lara Hagen, 8.9.2020)