Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab auf dem Weg zur Präsentation des diesjährigen Integrationsberichts am Dienstag.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Wien – Der diesjährige Integrationsbericht hat 134 Seiten. Es geht darin um Integration in Österreich, in seinen Städten und Regionen. Es geht um Bildung, den Arbeitsmarkt und Gesundheit. Es werden auch zahlreiche Herkunftsländer heimischer Migranten erwähnt und aufgezählt. Afghanistan kommt 51-mal vor, die Türkei 46-mal, Italien wird einmal gelistet, ein Land wird nie genannt: China.

Wenige Minuten nach Ende der Pressekonferenz am Dienstag, bei der Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) den Bericht präsentierte, titelte die "Kronen Zeitung" in ihrer Onlineausgabe: "Raab: Wollen kein Chinatown, kein Little Italy." Ein Screenshot des Titels machte auf Twitter die Runde, es entspann sich eine breite Diskussion in der Politiker-Journalisten-Blase: Wo droht bitte ein Chinatown? Litte Italy? Mehr Pizza und Caprese, bitte gerne!

FPÖ-Chef verteidigt China

Es wird vermutet, dass Raab ihre Worte gezielt gesetzt hat. Doch wieso? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Coronavirus, das ja aus China kommt? Schließlich schaltet sich ausgerechnet FPÖ-Chef Norbert Hofer zur Verteidigung des nahen und fernen Auslands ein: "So ein Unsinn! Österreich hat kein Problem mit Zuwanderern aus China oder aus Italien!", schreibt er auf Twitter.

Man fragt sich: Wie bitte kam Raab auf diese Idee?

Tatsächlich ist der Satz während der Präsentation der Ministerin gar nicht gefallen. Erst danach, als Journalisten Fragen stellen, wird sie auf ein internationales Beispiel angesprochen: "Sie haben davon gesprochen, dass es in Wien jetzt schon soziale Brennpunkte und Parallelgesellschaften gibt. Das klingt ein bisserl nach Pariser Banlieues. Können Sie das spezifizieren, damit man sich mehr darunter vorstellen kann?", formuliert es der Journalist.

Parallelgesellschaften und Wien-Wahl

Man muss dazusagen: Raab – im Oktober steht die Wien-Wahl an – redet seit Wochen gerne über Probleme mit Migranten in der Hauptstadt. Auch im Rahmen der Pressekonferenz erwähnt sie Wien mehrfach als größtes Problemfeld für Integration. Auf die Frage antwortet sie ausschweifend. Sie beginnt mit einer Studie, die parallelgesellschaftliche Strukturen "in Ballungszentren in Wien" zeige.

Dann führt sie aus: "Wenn Menschen nur in den türkischen Supermarkt gehen, im türkischen Verein sind, in die Moschee gehen, wenn sie im türkischen Verein Fußball spielen, ja, dann passiert wenig Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft, und dann ist das auch ein Zeichen für parallelgesellschaftliche Strukturen."

Angeblich keine Absicht

Schlussendlich sagt Raab: "Was wir nicht haben wollen, ist: Zustände wie in den Pariser Vororten. In den Banlieues. Wir haben aber an gewissen Gewalteskalationen schon gesehen, dass es einen Nährboden gibt für Gewalt, und der ergibt sich auch aus parallelgesellschaftlichen Strukturen. Das ist nicht die Vision, wie wir sie haben wollen. Wir wollen nicht Chinatown, Little Italy, sondern wir wollen eine gesamtgesellschaftliche Integration, wo Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zusammenkommen."

Geplant sei diese Aussage jedenfalls sicher nicht gewesen, hört man aus ihrem politischen Umfeld. (Katharina Mittelstaedt, 9.9.2020)