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In Österreich weiß man Landtagswahlen gerne von Bundeswahlen getrennt – ganz so einfach ist das aber nicht.
Foto: dpa-Zentralbild/Robert Michael

"Landtagswahlen sind Landtagswahlen" lautet ein Stehsatz in der österreichischen Politik. Oft wird diese sprachliche Redundanz bemüht, um die politische Verantwortung für das Abschneiden einer Partei bei einer Landeswahl im Bundesland zu verorten und nicht etwa auf Bundesebene. Demnach folgen Landtagswahlen ihren eigenen Gesetzen – unbeschadet davon, was auf höherer politischer Ebene passiert.

Soweit dieser Stehsatz zutrifft, ist er einigermaßen trivial. Natürlich gibt es landesspezifische Faktoren (etwa Spitzenkandidaten, wichtige Themen, Skandale), die Wahlgänge beeinflussen. Man soll aber nicht darüber hinwegsehen, wie stark sich Bundestrends in aller Regel in Landtagswahl-Ergebnissen widerspiegeln.

Ein wichtiger bundespolitischer Einfluss ist die Zusammensetzung der Bundesregierung. Wer im Bund regiert, verliert im Schnitt bei Landtagswahlen einige Prozentpunkte, umgekehrt legt die Bundes-Opposition im selben Ausmaß zu (diese empirische Regelmäßigkeit wurde in diesem Blog schon einmal behandelt).

Ein noch wichtigerer Einflussfaktor ist aber, wie die Performance der Bundespartei insgesamt seit der letzten Landtagswahl verlaufen ist. Die Grafik unten zeigt den Zusammenhang zwischen dem Umfragetrend auf Bundesebene seit der letzten Landtagswahl und dem Landtagswahlergebnis (Gewinn/Verlust in Prozentpunkten). Es ist leicht ersichtlich, dass hier ein starker positiver Zusammenhang vorliegt: Die Korrelation beträgt r = 0,66. Wer im Bund zulegt, hat gute Chancen, auch bei Landtagswahlen dazuzugewinnen. Wer im Bund verliert, tut dies wohl auch auf Landesebene.

Der Zusammenhang ist natürlich nicht eins zu eins. Die Steigung der Regressionsgerade (die schwarze Diagonale, die die Punktwolke beschreibt) beträgt 0,55. Für jeden Prozentpunkt bessere bzw. schlechtere Performance in Bundesumfragen steigt bzw. sinkt das Landtagswahlergebnis also um einen guten halben Prozentpunkt.

Die Ausnahmen bestätigen die Regel: Viele der Punkte, die weit von der Gerade wegliegen (also die Ausreißer vom Bundestrend), lassen sich durch landesspezifische Faktoren erklären. Ganz unten in der Grafik liegt der Datenpunkt der FPÖ Kärnten von 2013, die in diesem Jahr infolge des Hypo-Skandals eine der schwersten Wahlniederlagen der Zweiten Republik einfuhr. Einen ähnlich gelagerten Fall stellt das schlechte Abschneiden der SPÖ Salzburg 2013 dar (Stichwort Spekulationsskandal). Die ÖVP Oberösterreich konnte 2003 wohl auch aufgrund der Voest-Privatisierung nichts vom Rückenwind aus dem Bund mitnehmen. Umgekehrt gibt es populäre Spitzenkandidaten, durch die sich eine Landespartei vom Bundestrend loskoppeln kann. Jörg Haider (FPÖ Kärnten 2004) oder Hans Peter Doskozil (SPÖ Burgenland 2020) sind Beispiele dafür.

Der Zusammenhang zwischen Bundestrend und Landtagswahlergebnissen ist aber nicht nur für die Analyse im Nachhinein interessant. Er ermöglicht es auch, eine Benchmark für bevorstehende Landtagswahlen zu berechnen. Zieht man die August-Umfragen zur Wien-Wahl heran, dann liegt relativ zum Bundestrend (der sich, wie gesagt, im Schnitt ja nur zur Hälfte auf die Landeswerte durchschlägt) derzeit vor allem die FPÖ deutlich schlechter – was angesichts der Team-Strache-Kandidatur kein Wunder ist. SPÖ, ÖVP und Grüne hingegen rangieren geringfügig über dem, was allein auf Basis des Bundestrends zu erwarten wäre (berücksichtigt man die Regierungsbeteiligung im Bund zusätzlich, verbessert sich die relative Performance von ÖVP und Grünen noch leicht). Die Neos-Umfragewerte für Wien liegen ziemlich genau im Bundestrend.

Das Wiener Wahlergebnis am 11. Oktober wird also zu einem guten Teil die bundesweite politische Großwetterlage widerspiegeln – angereichert um wienspezifische Faktoren. Landtagswahlen sind und bleiben eben Landtagswahlen – aber beileibe nicht nur.

(Laurenz Ennser-Jedenastik, 9.9.2020)