Die CSH-Ampel hat nur drei Farben.

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Um sich zu vergewissern, welche Gefährdungsfarbe die Corona-Kommission des Gesundheitsministeriums der jeweiligen Wohnumgebung zugeteilt hat, ist es ratsam, die entsprechende Corona-Homepage des Ministeriums abzurufen. Die Onlinesuche kann allerdings erhebliche Verwirrung stiften. Denn: Es existieren mittlerweile nämlich zwei Corona-Ampeln in Österreich.

Eine, die kürzlich gestartete, offizielle Ampel des Ministeriums und jene schon seit dem 8. April permanent aktualisierte des Big-Data-Forschungszentrums Complexity Science Hub Vienna (CSH). "Die Ampel ist zur Information der Bevölkerung gedacht, damit jeder nachprüfen kann, wie groß das Risiko in der eigenen Umgebung ist. Wir zeigen die Infektionszahlen und wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, sich anzustecken", sagt CSH-Präsident Stefan Thurner, Professor für Komplexitätsforschung an der Med-Uni Wien, im Gespräch mit dem STANDARD.

Komplexitätsforscher Stefan Thurner bietet seit Anfang April mit seinem Big-Data-Forschungszentrum online eine Corona-Ampel. an
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Zudem liefert das CSH neben den Corona-Zahlen Daten über die Ärztedichte, eine Analyse der Regionen nach Risikogruppen samt Anzahl der Neuinfizierten und per Klick zudem sämtliche Arztadressen samt Öffnungszeiten. Dazu auch Covid-Analysen etwa über Angst und Sozialverhalten in der Corona-Krise.

Stefan Thurner kann in den Berechnungen und Analysen auf einen exquisiten Thinktank zurückgreifen. In seinem wissenschaftlichen Beratungsgremium sitzen internationale Topexperten renommierter Universitäten aus den USA, Europa und Asien. Getragen wird die Forschungseinrichtung übrigens unter anderem von den Technischen Universitäten Wien und Graz, der Medizinischen Universität Wien, der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, dem Austrian Institute of Technology (AIT), der Wirtschaftskammer und dem Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA).

"Sind nicht gefragt worden"

Die im CSH angewandte Komplexitätswissenschaft verbindet Mathematik, Modellierung und Informatik mit grundlegenden Fragen aus Disziplinen wie Wirtschaft, Ökologie, Sozialwissenschaften und eben auch der Medizin.

Was zur Frage führt: Warum hat die Regierung nicht auf das wissenschaftsbasierte Ampelmodell des öffentlich finanzierten Big-Data-Spezialisten CSH aufgebaut, sondern eine eigene gebastelt? "Ich weiß es nicht", sagt Stefan Thurner, "wir hätten natürlich gerne unser Wissen zur Verfügung gestellt, sind aber nicht gefragt worden. Natürlich würden wir uns freuen, wenn man auf uns zukommt und sagt, lasst uns zusammenarbeiten."

Es gebe zwar informelle Kontakte mit Mitgliedern der ministeriellen Ampel-Kommission. Einen offiziellen Auftrag der Zusammenarbeit gebe es allerdings nicht, sagt Thurner. "Es wäre natürlich kein Problem gewesen", sagt Thurner, die CSH-Ampel für die neuen Anforderungen rasch zu adaptieren.

Im Büro Minister Rudolf Anschobers wird auf STANDARD-Nachfrage darauf verwiesen, dass "die CSH-Ampel auf nur einem Indikator aufbaut, bei der Corona-Ampel werden mehrere Indikatoren zur Bewertung der Lage berücksichtigt".

Zudem würden die Daten "auch diskutiert und gewichtet". "Es geht ja nicht nur um Zahlen", heißt es im Büro Anschober. (Walter Müller, 10.9.2020)