Fast auf den Tag genau vor einem Jahr startete der neu aufzurollende Prozess "Bierwirt gegen Maurer", auch durch die Pandemie bedingt kam es zu einer zwölfmonatigen Verzögerung – doch am Freitag steuert die Causa auf einen neuen Showdown am Wiener Straflandesgericht zu: Denn um Punkt zehn Uhr setzt da Richter Hartwig Handsur im Großen Schwurgerichtssaal das leidige, aber publicitiyträchtige Verfahren gegen die Politikerin Sigrid Maurer fort, das die Justiz schon seit mehr als zwei Jahren beschäftigt.

Die Grüne Sigrid Maurer, einst ohne Mandat, mittlerweile zur Klubchefin im Nationalrat aufgestiegen, mit ihrer Anwältin Maria Windhager am 16. September 2019 am Wiener Straflandesgericht.
Foto: Matthias Cremer

Rückblick: Ende Mai 2018 hatte die Grüne, damals ohne Nationalratsmandat, mittlerweile zur Klubchefin aufgestiegen, via Facebook obszöne Privatbotschaften vom Account eines Bierhändlers im achten Wiener Bezirk erhalten, die sie – mit mehreren Rufzeichen versehen – nicht nur zum Oralsex aufforderten, sondern ihr auch äußerst rüde Analsex in Aussicht stellten. Weil Maurer über soziale Netzwerke die Identität des Ladenbesitzers preisgab, reichte der Mann, der das Absetzen der Botschaften stets bestritten hat, prompt Klage wegen übler Nachrede und Kreditschädigung ein.

Im ersten Prozess setzte es einen Schuldspruch gegen Maurer, doch das Urteil von Oktober 2018 wurde im März 2019 vom Wiener Oberlandesgericht für null und nichtig erklärt, unter anderem deshalb: Der Privatankläger habe "nicht schlüssig dargestellt, dass konkret eine andere Person die Nachrichten geschrieben und verschickt hat". Der erste Verhandlungstag im neuen Prozess am 16. September 2019 war wiederum von Zeugenschwund geprägt, weil einigen Auskunftspersonen die Ladung zu spät zugestellt worden war. Maurer, damals grüne Listendritte in Wien für die anstehende Nationalratswahl, plädierte auch vor einem Jahr wieder auf nicht schuldig, während der Bierwirt weiterhin seine Unschuld beteuerte – Gäste hätten hinter der Budel Zugang zu seinem Account gehabt.

Brisante Wendung

Der Verhandlungstag am Freitag, für den ein Urteilsspruch erwartet wird, gilt als besonders brisant, weil Maurer mit dem Koalitionspartner ÖVP inzwischen ein Paket gegen "Hass in Netz" geschnürt hat, das ab kommendem Jahr Betroffenen derartige Prozesse ersparen soll. Der türkis-grüne Entwurf, derzeit noch in Begutachtung, sieht unter anderem im Kontext der Privatanklagedelikte "üble Nachrede" und "Beleidigung" über das Internet vor, dass die Adressat(inn)en von Hassbotschaften künftig einen Antrag auf Ausforschung beschuldigter Personen beim Landesgericht stellen können.

Außerdem sollen Opfer von Hassnachrichten bald eine Unterlassung beim zuständigen Bezirksgericht anstrengen können – auch wenn es sich dabei "nur" um Privatbotschaften und keine öffentlichen Beleidigungen handelt. Maurer zum STANDARD: "Das ermöglicht, dass sich Betroffene schnell, unbürokratisch und kostengünstig wehren können." Formular und Screenshot an das Bezirksgericht zu schicken reiche, es gebe keine Anwaltspflicht. Binnen weniger Tage entscheide dann der Richter, ob das Posting die Menschenwürde verletzt. In diesem Fall müsse die Nachricht gelöscht und die Gerichtsgebühr von 107 Euro vom Poster bezahlt werden. Für Maurer ist das "ein Meilenstein im Kampf gegen den Hass im Netz".

Abgesehen davon läuft im realen Leben aber noch ein Verfahren gegen Maurer – und zwar am Bezirksgericht Josefstadt, weil der Bierladenbetreiber die Abgeordnete auch noch zivilrechtlich auf Unterlassung geklagt hat, nachdem sie ihn in einer Facebook-Nachricht gegenüber einem Dritten als "Arschloch" tituliert hatte. In dieser Angelegenheit plädiert Maurer wiederum auf Verjährung. (Nina Weißensteiner, 10.9.2020)