Geboren am 13. September 1830 als Tochter von Franz Dubský, Freiherr von Třebomyslic, im mährischen Zdislavice, hatte Marie Dubský in Kindheit und Jugend unter einer extremen Divergenz zwischen Privilegierung und Benachteiligung zu leiden: Wurden die "Komtessen" – die Schwester Friederike war um ein Jahr älter – auch von Geistlichen, Gouvernanten, Hauslehrern und Tanzmeistern angeleitet, sah ihre Erziehung keinesfalls die Vorbereitung auf eine systematische Ausbildung vor. Der Vater, einem böhmischen Adelsgeschlecht entstammend und 1843 gegraft, wird als strenger Patriarch geschildert. Die Mutter, Marie Freiin von Vockel, war seine zweite Frau; sie starb kaum drei Wochen nach Maries Geburt. Aus den beiden weiteren Ehen das Vaters gingen fünf jüngere Geschwister hervor, darunter die Brüder Adolph, Victor und Heinrich, die von der vielseitig interessierten Marie glühend um ihre schulischen Bildungsmöglichkeiten beneidet wurden. Ihr blieb eine autodidaktische Beschäftigung mit Büchern und dem Theater: Im Winter wechselte man den Wohnsitz und bezog das "Drei-Raben-Haus" in Wien. Die Besuche im Burgtheater hat Ebner-Eschenbach als "klassische" Erziehung und Quelle der Inspiration geschildert.

Ehefrau und Dramatikerin?

Erste schriftstellerische Versuche wurden von der Familie misstrauisch beäugt. Als Marie 1848 den um fünfzehn Jahre älteren Cousin Moriz von Ebner-Eschenbach heiratete, gewann sie keineswegs einen unbedingten Rückhalt: Zwar unterstützte der aufgeklärte Vetter ihre Bildungsbemühungen, fürchtete sich aber vor öffentlichen Blamagen und bangte um seinen "guten Namen". Er selbst war Professor für Physik und Chemie an der Ingenieursakademie. Aufgrund seiner zahlreichen Erfindungen wurde er 1863 korrespondierendes Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien; er stieg bis zum Generalmajor auf.

Im Brautkleid.
Foto: Bildarchiv Austria
Marie und Moritz von Ebner-Eschenbach.
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Da die Ingenieursakademie 1851 auf Wunsch des Kaisers nach Klosterbruck bei Znaim verlegt wurde, musste das Ehepaar bis 1856 dorthin übersiedeln. Die Laufbahn Marie von Ebner-Eschenbach begann daher unter häuslichen Belastungen; die "Znaimer Existenz" empfand sie als "trostlos". Dennoch verfolgte sie hartnäckig literarische Pläne, wobei sie sich vorerst als Dramatikerin sah. Über Jahrzehnte versuchte sie die Aufmerksamkeit von Theaterdirektoren durch einerseits historische Tragödien, andererseits Lustspiele zu erregen. Nachträglich sah sie diese Phase als eine Folge von Niederlagen, was nicht ganz richtig ist: So wurde beispielsweise das Trauerspiel "Maria Stuart in Schottland" 1861 am Hoftheater Karlsruhe, das Lustspiel "Die Veilchen" 1863 am Wiener Burgtheater oder die Tragödie "Marie Roland" 1868 am Hoftheater Weimar aufgeführt. Auch die Kritiken waren mitunter durchaus positiv. Wurde hingegen die Identität der Verfasserin ruchbar, so setzten die Vorurteile von Presse und Publikum vor allem gegenüber Dramatikerinnen – welche ja die "häusliche" Sphäre von Lyrik und Prosa verließen und sich auf die "öffentliche Bühne" begaben – und die Vorbehalte der "ersten" Gesellschaft gegenüber einer "beruflichen" Tätigkeit eines ihrer weiblichen Mitglieder ein.

Durchbruch als Prosaistin

Diese Jahre des empfundenen Scheiterns und wohl auch die Kinderlosigkeit der Ehe hatten massive psychosomatische Störungen zur Folge: Ebner-Eschenbachs Tagebücher berichten von andauernden Schmerzen und Krankheiten. Dennoch war ihre literarische Produktivität ungebrochen: 1876 veröffentlichte sie die Erzählung "Božena". Die Geschichte einer Magd, die durch unbedingte Wahrheitsliebe die Geschicke einer Familie zum Guten wenden kann, war ein erster unbestrittener Erfolg.

1880 erschienen die gefeierten "Aphorismen": In diesem Genre hat Ebner-Eschenbach mit ihren pointierten Dikta – "Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde: – alle dummen Männer" – auch in der literaturgeschichtlichen Beurteilung reüssiert. Im selben Jahr kam der Roman "Lotti, die Uhrmacherin" heraus, der Loyalität und Integrität in persönlichen, aber auch in künstlerischen Fragen postuliert. Die Titelheldin erweist sich als unerschütterliche Freundin auch des ungetreuen Liebhabers; das programmatische ästhetische Konzept wird der zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur entgegengesetzt.

In den "Dorf- und Schloßgeschichten" (1883/1886) entwickelte Ebner-Eschenbach die für sie typischen Milieus: einerseits eine dörfliche Gemeinschaft, andererseits das Herrschaftshaus. Schon diese Topographie ergibt ein Feld sozialer Konflikte, die sehr nachdrücklich dargestellt werden; mit harscher Adelskritik machte sich Ebner-Eschenbach bei ihren Standesgenossen und -genossinnen freilich nicht beliebt. 1887 publizierte sie ihre vermutlich bekannteste Erzählung, "Das Gemeindekind". Die Geschichte eines dörflichen Außenseiters, der sich entgegen aller Vorurteile als integrer Charakter erweist, stärkte Ebner-Eschenbachs Ruf als moralische und sozialkritische Erzählerin.

Ebner-Eschenbach in späteren Jahren.
Foto: Bildarchiv Austria

Berühmt und umstritten

Als arrivierte Autorin hatte Ebner-Eschenbach zahlreiche Verbindungen zur deutschen Verlagslandschaft und zu Künstlerkreisen. Jahrzehntelange Freundschaften verbanden sie mit Ferdinand von Saar oder der Lyrikerin Betty Paoli. Mit Paul Heyse, Theodor Fontane und Louise von François stand sie zumindest in brieflichem Kontakt. Lieblingsfreundin wurde Ida Fleischl, deren Salon von Autoren und Theaterleuten besucht wurde. Bei all diesem gesellschaftlichen Verkehr und den Verpflichtungen gegenüber der weitläufigen Familie wundert es nicht, dass sich Ebner-Eschenbach immer wieder Zeit und Ruhe für ihre literarische Produktion wünschte.

1890 etwa erschien der Roman "Unsühnbar"; er handelt von einer Gräfin, die nach Jahren einen Ehebruch gesteht, um zu verhindern, dass ihr illegitimer Sohn das Erbe des betrogenen Gatten antritt. Unter den späten Novellen und Erzählungen fällt "Rittmeister Brand" (1895), die Geschichte eines selbst Kinderlosen, der sich ganz der Pädagogik verschrieben hat, als eine einfühlsame Hommage an Moriz von Ebner-Eschenbach auf. Die späten 1890er-Jahre wurden aber zu einer Epoche schwerer Verluste: 1895 starb die Schwester Friederike, 1898 der Ehemann, 1899 die Freundin Fleischl – Ebner-Eschenbach fühlte sich in "geistiger Einsamkeit" zurückgelassen.

Gedenktafel: Ehrendoktorat der Universität Wien.
Foto: Eva Offenthaler

Ihre späten Jahre

Zum siebzigsten Geburtstag im Jahr 1900 wurde ihr allerdings vonseiten der Öffentlichkeit enorme Aufmerksamkeit zuteil. Das Burgtheater brachte einen "Ebner-Abend" mit drei ihrer Einakter. Auf Vorschlag des Literaturhistorikers Jakob Minor erhielt sie – als erste Frau überhaupt – ein Ehrendoktorat der Universität Wien. Den Winter des Jahres verbrachte sie, wie schon in den Jahren zuvor, in Rom, für sie inspirierende Aufenthalte; 1899 hatte sie außerdem Florenz besucht, wo ihr Künstlerroman "Agave" (1903) spielt. 1903 bezog sie ihre letzte Wiener Wohnung im "New-York-Haus" an der Ecke von Graben und Spiegelgasse. Auch jetzt noch waren ihre Tage mit Besuchen, Korrespondenz und Schreibarbeit ausgefüllt. Zum 80. Geburtstag wiederholten sich die Ehrungen: Ein Ebner-Eschenbach-Fonds wurde gegründet und ein Preis gestiftet, der in den nächsten Jahren an jüngere Schriftstellerkolleginnen wie Isolde Kurz oder Helene Böhlau vergeben wurde. Trotz ihrer unverbrüchlichen Loyalität zum Kaiserhaus erschienen ihr die Ereignisse des Ersten Weltkriegs als zivilisatorischer Rückfall. Im Februar 1916 erkrankte sie schwer und sollte nicht mehr genesen: Am 12. März starb sie. Ihr Leichnam wurde nach Zdislavice überführt und in der Gruft des Schlosses beigesetzt. (Konstanze Fliedl, 15.9.2020)