Die Pläne zur verkehrsberuhigten City bleiben Wahlkampfthema in Wien.

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Dass die Wiener Innenstadt weiter verkehrsberuhigt wird, steht außer Frage. Die SPÖ spricht sich dafür aus, die Grünen sowieso. Selbst Wirtschaftskammer und Bezirks-ÖVP sowie Neos unterstützen die Idee, den Autoverkehr – wo es sinnvoll ist – aus der City zu verdrängen. Bei den konkreten Maßnahmen und dem Zeitpunkt der Umsetzung herrscht aber Uneinigkeit.

Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) drängt darauf, dass ihr Projekt noch vor der Wahl am 11. Oktober umgesetzt wird. Sie nennt es "autofreie Innenstadt" und hat es im Juni mit Bezirkschef Markus Figl (ÖVP) präsentiert. Im Wesentlichen ist ein Einfahrtsverbot für die City mit vielen Ausnahmen geplant. Der Ring ist nicht betroffen.

Viele Ausnahmen von der Regel

So sollen Anrainer mit Parkpickerl weiterhin in die Innenstadt fahren können. Ausnahmen sind auch für Einsatzfahrzeuge, Taxis, Firmen mit Standort in der City oder Beschäftigte, die nachts arbeiten müssen, vorgesehen. Weiterhin erlaubt bleibt für alle die Zufahrt zu den Parkgaragen. Der Verordnungsentwurf enthält 16 Ausnahmen, kontrolliert werden soll das Verbot zunächst von der Polizei. Gestritten wurde noch darum, ob Anrainer auch mögliche "Einfahrttickets" für Besucher erhalten.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bezeichnete die Pläne aber bisher als zu unausgegoren und stellte ein Veto in den Raum. Tatsächlich steht noch nicht fest, was mit dem frei werdenden öffentlichen Platz etwa durch nicht mehr benötigte Parkplätze passieren wird. Zudem vermisst Ludwig ein schlüssiges Gesamtverkehrskonzept: Der Stadtchef befürchtet in den Nachbarbezirken eine Zunahme des Verkehrs sowie mehr Parkplatzdruck.

Die Grünen haben bei der Universität für Bodenkultur (Boku) ein Gutachten über die verkehrlichen Auswirkungen des geplanten Konzepts in Auftrag gegeben. Der Endbericht von Paul Pfaffenbichler vom Institut für Verkehrswesen liegt nun dem STANDARD vor.

Ein Viertel weniger Fahrten in die City

Demnach verringert sich die Anzahl der werktäglichen Pkw-Fahrten zu einem Abstellort in der City gleich im ersten Jahr nach einer möglichen Umsetzung um knapp 26 Prozent – also um mehr als ein Viertel. Das wären rund 8700 Fahrten in die Innenstadt weniger.

Im Vergleich zum "Business as usual"-Szenario – also wenn alles bleibt, wie es aktuell ist – wirkt sich das Einfahrtsverbot im Ersten aber nur leicht auf die Nachbarbezirke aus: 2021 müssten die Bezirke zwei bis vier sowie sechs bis neun mit einem Plus der Pkw-Fahrten um 0,4 bis 0,7 Prozent rechnen. In absoluten Zahlen wäre das eine Zunahme von 240.951 ("Business as usual") auf 242.612 Fahrten. "Die Auswirkungen sind meiner Einschätzung nach vernachlässigbar", sagt Pfaffenbichler. Der fünfte Bezirk wurde nicht mituntersucht.

Wird der frei werdende öffentliche Raum für Fußgänger und Radfahrer innerhalb der Fahrverbotszone später attraktiviert, geht Pfaffenbichler davon aus, dass sich die Zahl der zusätzlichen werktäglichen Pkw-Fahrten von 1700 Fahrten auf ein Plus von nur noch 900 Fahrten verringert.

Leicht erhöhter Parkplatzdruck in Nachbarbezirken

In puncto Parkplätzen wird von einem leicht erhöhten Stellplatzdruck in den Nachbarbezirken ausgegangen. Dieser erhöht sich laut Gutachten in den angrenzenden Gebieten der Bezirke zwei bis vier sowie sechs bis neun "von rund 83 Prozent kurzfristig auf rund 87 Prozent". Sofern die Attraktivität des Fuß- und Radverkehrs weiter gesteigert wird, soll die Parkraumauslastung danach auf 85 Prozent absinken.

Der Öffi-Verkehr wird durch die verkehrsberuhigte Innenstadt kaum beeinflusst – auch nicht in den Nachbarbezirken. Auch beim Radverkehr wird im Jahr nach der möglichen Umsetzung kaum eine Veränderung prognostiziert. Nach Umsetzung von Attraktivierungsmaßnahmen im öffentlichen Raum nimmt laut Pfaffenbichler "die Zahl der mit dem Fahrrad in den Ersten Bezirk zurückgelegten Wege stark zu – um rund ein Fünftel".

Verkehrsstadträtin Hebein sieht sich durch die Ergebnisse der Untersuchung, die auf Simulationen basiert, bestärkt und hofft auf grünes Licht des Bürgermeisters: "Mut war notwendig, um das Projekt anzugehen. Vernunft ist notwendig, um das jetzt umzusetzen." (David Krutzler, 11.9.2020)