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In der Ampel-Kommission ging es auch an diesem Donnerstag wieder rund. Sie tagte ab dem Nachmittag für mehrere Stunden. Inzwischen steht auch fest, welche Bezirke wie eingefärbt werden. Wien bleibt gelb – ebenso wie Graz und der Tiroler Bezirk Kufstein. Neu dabei in der gelben Ampel-Einstufung sind in Tirol Innsbruck-Stadt und Schwaz sowie die niederösterreichischen Bezirke Korneuburg und Wiener Neustadt.

Linz wird hingegen von Gelb auf Grün geschaltet, so lautete die Empfehlung der Kommission. Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, das Burgenland und Vorarlberg sind komplett grün.

Dafür ist offenbar dem Drängen von Kanzler Kurz – und zuletzt der Wiener Stadtregierung – stattgegeben worden, die Maßnahmen wieder insgesamt zu verschärfen. So sollen alle Veranstaltungen österreichweit auf Gelb-Niveau gestellt werden. Das heißt, dass indoor statt 5.000 zugewiesenen Plätzen (wie letzte Woche bei Grün vorgesehen) nur noch 2.500 Zuschauer möglich sind. Bei Open-Air-Veranstaltungen soll die Höchstgrenze von 10.000 Personen bei zugewiesenen Plätzen auf 5.000 reduziert werden. Ohne zugewiesene Plätze sollen drinnen wie draußen nur 100 Besucher erlaubt sein.

Zudem soll auch die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen österreichweit über den Lebensmittelhandel, Apotheken und Banken hinaus verschärft werden. Details sollen bei einer Pressekonferenz am Freitag verkündet werden.

Treten diese Verschärfungen tatsächlich ein, kommt es zur Skurrilität, dass sich die Maßnahmen bei den Ampelfarben Grün und Gelb kaum mehr unterscheiden. Außer, es wird auch noch bei Gelb weiter nachgeschärft.

Expertengruppe wehrt sich gegen politischen Einfluss

Wie DER STANDARD erfahren hat, kam es zudem am Abend zu einer Klarstellung gegenüber den politisch besetzten Kommissionsmitgliedern. Das Gremium besteht bekanntlich aus fünf Experten, fünf Vertretern von Ministerien und neun Vertretern der Länder.

Der Vertreter des Bundeskanzleramtes habe angekündigt, dass eine Erklärung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verlesen werden soll. Dafür wäre dann der Kabinettschef des Kanzlers online zugeschalten worden. Einer der beiden Leiter der Kommission habe daraufhin aber erklärt, dass es sich um eine Expertengruppe handle und das nicht möglich sei. In der Runde habe man sich schließlich darauf verständigt, dass die Kommission ohne politischen Einfluss arbeiten können muss. Sonst brauche es die Kommission nicht mehr, sei argumentiert worden.

Ampel eine Woche "im Dienst"

Eine Woche war die Corona-Ampel nun "im Dienst", und nur vier Flecken auf der Landkarte – Wien, Graz, Linz und der Bezirk Kufstein – sind bei der ersten Schaltung am vergangenen Freitag auf Gelb, also mittleres Infektionsrisiko, geschaltet worden, was in Linz und Wien mit großem Missfallen aufgenommen und als politisch motivierte Farbgebung interpretiert wurde. Am Donnerstag aber war es dann zuerst just der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), der die Wiedereinführung strengerer Maßnahmen in ganz Österreich sowie mehr regionale Handlungsmöglichkeiten forderte. Auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erklärte kurz darauf, die Bundeshauptstadt sei bereit, lokal die notwendigen Schritte zu setzen – sofern das der Bund der Stadt ermögliche.

Schließlich wurde auch aus dem Umfeld von Kanzler Kurz bekannt, dass er sich – nicht zuletzt angesichts der hohen Infektionszahlen in Wien – "schärfere Maßnahmen" von der Corona-Kommission im Gesundheitsministerium erwarte und "kein Schönrechnen der Zahlen", wie es hieß.

Die zeigten von Mittwoch auf Donnerstag 664 positiv auf Covid-19 getestete Menschen, mehr als die Hälfte dieser Neuinfektionen, 387 Fälle, gab es erneut in Wien.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der letztlich entscheidet, welche Farbe kommt, rechnete Donnerstagvormittag nicht mit einem Farbwechsel für Wien: "Ich habe derzeit keine Indizien, dass es in Richtung Orange geht." Das war vor der Empfehlung der mit je fünf wissenschaftlichen Expertinnen und Experten sowie Ministeriumsvertretern und neun Abgesandten der Bundesländer besetzten Kommission, die jeden Donnerstag die Lage neu einschätzt. Anschober sieht darin "kein Zeugnis", sondern ein "Sachverständigengutachten" für politische Entscheidungen, die er, wie er betonte, nicht als "Solo-Entscheidung" treffe, sondern in der Regierung bespreche. Es schien jedenfalls erhöhten Gesprächsbedarf zu geben, denn der Gesundheitsminister rechnete damit, dass die ab 14 Uhr angesetzte Sitzung bis tief in den Abend dauern würde.

Orange oder nicht Orange, das ist hier die Wien-Frage

Laut STANDARD-Informationen drängte das Kanzleramt auf Orange für Wien – was offenbar nicht alle Ländervertreter mittragen wollten. Immerhin hatte selbst Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) schon die erste Ampelrunde, die seiner Landeshauptstadt Linz Gelb gebracht hatte, als "Fehlstart" bezeichnet. Am frühen Nachmittag ging dann das Gerücht, die Kommission könnte womöglich gar nicht über Wien abstimmen – und die Regierung müsste ohne diese Teilempfehlung entscheiden. Die Kommission entscheidet mit Zweidrittelmehrheit.

Ein Kommissionsmitglied, die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl, hält das aktuelle Infektionsgeschehen für "besorgniserregend". Die Entwicklung der vergangenen sieben Tage weise leider in Richtung "Anstieg", es gehe "wirklich hinauf". Österreich war sehr lange "gut unterwegs", sei nun aber mit einer anderen Entwicklung konfrontiert. Angesichts der Zahlen brauche es eine bessere und raschere Fallidentifikation und Kontaktnachverfolgung, sagte sie zur APA.

Innsbruck erwartet Farbenwechsel

Innsbruck ist beim ersten Mal Gelb noch entkommen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erwartete, dass es diesmal so weit sein würde. Nicht ganz aus dem Nichts, stand diese Schaltung für die Landeshauptstadt laut Puchhammer-Stöckl doch bereits im Raum. An der Innsbrucker Uniklinik für Neurologie gibt es bereits neun positive Corona-Fälle – sechs Mitarbeiter und drei Patienten. In Graz rechnete man damit, gelb zu bleiben, Linz erwartete Ergrünung, und Niederösterreich kündigte an, die Kommissionsentscheidung zu akzeptieren – auch wenn Wiener Neustadt, das von den "gelben" Linzern zuletzt als "eigentlicher" Gelb-Kandidat angeführt wurde (und von der Kommission ohnehin wie auch Wels "näher betrachtet" worden war), nicht mehr grün sein sollte.

Im Parlament wird derweil – trotz der Kritik der Opposition – um einen Beschluss der Corona-Gesetznovellen noch im September gerungen, wie ihn Türkis-Grün durchsetzen will. (Katharina Mittelstaedt, Lisa Nimmervoll, Oona Kroisleitner, David Krutzler, 11.9.2020)