Der 3. September 1970 war ein Donnerstag, die Sonne wanderte über die Zirkusgasse im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Sie warf noch Schatten vor das Geschäft des Leo Josimovic, der dort auf Nummer 21 seine Werkstatt betrieb – "Autoradio-Service" und "Radiotechn. Betrieb" stand und steht noch heute drauf. Im italienischen Monza liefen gerade die Vorbereitungen für den zehnten Lauf der Formel-1-Weltmeisterschaft, die ihre 21. Saison absolvierte. Für das "kleine Österreich" ging ein großer Star ins Rennen, ein unglaublich cooler Typ, Kettenraucher und Lebemann. Er hieß Jochen Rindt und hatte, drei Tage vor diesem Rennen, noch in Wien zu tun.

Es ging auf Mittag zu, die Schatten vor der Werkstatt zogen sich langsam zurück, als ein Vauxhall Victor 2000 SL mit dem Kennzeichen W 13 023 die Zirkusgasse entlangfuhr und unvermittelt in die Garage der Werkstatt einbog. "Es war kein teures Auto, ein Straßenfahrzeug", erzählt Josimovic, als er sich an jenen Tag erinnert. Aber hinter dem Steuer saß ebendieser Jochen Rindt, der in drei Tagen den Grand Prix von Italien für das britische Lotus-Team gewinnen sollte. Dessen Konstrukteur Colin Chapman war bekannt dafür, zwar sehr schnelle, aber auch sehr fragile Boliden für seine Fahrer zu basteln. Rindt stieg aus dem robusten Vauxhall. Er trug einen hellen Anzug und hielt einen schwarzen Samsonite-Koffer. Er sagte: "Grüß euch, Burschen, ich hab da ein Problem mit meinem Autoradio. Könnt ihr euch das kurz anschau’n?"

Leo Josimovic, heute 88 Jahre alt, reparierte Jochen Rindts Autoradio – und fotografierte Österreichs F1-Legende zwei Tage vor ihrem Tod. Die Fotos sind nun zu kaufen.
Foto: Christian Fischer

"Der Rindt is do!"

Herr Josimovic, mittlerweile 88 Jahre alt und immer noch jeden Tag in der Werkstatt, die nun seinem Sohn gehört, erzählt: "Autoradios waren damals ein teurer Luxus!" Keine Rede davon, dass sie serienmäßig in die Karosserie eingebaut worden wären. Man bezahlte bis zu 30.000 Schilling für so ein Gerät, die führende Marke hieß Becker, deren legendäres Gerät war die "Nadelstreif-Edition", die dann in den Mercedes-Limousinen verbaut wurde. Er, Leo Josimovic, hatte in Wien als Erster den Markt für diese neue "Mode" erkannt, verdiente gut mit Verkauf, Einbau und Reparatur der Radios. Aber mit Jochen Rindt als Kunde hat er damals nicht gerechnet.

Natürlich konnte er sich das defekte Radio kurz einmal anschauen, während Rindt die Zeit nutzte, um im gegenüberliegenden Geschäft des Herrenmodeschneiders Licona, der damals von der Stange und nach Maß verkaufte, einen neuen Anzug in Auftrag zu geben. Ein Licona-Anzug war damals eine gute Investition, neben Rindt zählte der Schneider Rainier von Monaco, Peter Sellars, Peter Alexander oder Vico Torriani zu seinen Kunden. Rindt sagte: "Ich geh kurz da rüber." Seinen schwarzen Samsonite-Koffer, den seine Frau Nina – die schöne Blondine, die immer in der Boxenstraße saß und seine Rundenzeiten stoppte – ihm gekauft hatte und den er immer trug, nahm er mit. Josimovic beugte sich in den Vauxhall und schaute nach dem Radio – um bald zu erkennen, dass bei Rindts Radio nur der Stecker locker war. "Der Idealfall eines Fehlers!", lacht er.

Seinen Samsonite-Koffer nahm Rindt überall mit hin.
Foto: Christian Fischer

Rindt war bald fertig mit Maßnehmen beim Licona drüben, die Sonne stand auf zwölf Uhr Mittag, als er zurück zur Werkstatt kam, die Josimovic 1954 eröffnet hatte, "damals ein Viertel der Fläche von heute". Der Licona sperrte in der Mittagspause zu, die Mitarbeiterinnen kamen dem Star nachgelaufen, und die Straße füllte sich wie damals, als Josimovic zur Eröffnung "eine große Show veranstaltete". Als Erstes verkaufte er eine Eumigette aus dem Jahre 1954, eines der ersten UKW-Radios, zu einem Preis von 999 Schilling. Die Eumigette blieb bis heute sein Lieblingsradio. "Hören Sie sich den Klang an!"

Rindt fragte also: "Was bin ich schuldig?" Aber er war dem Meister natürlich nichts schuldig. Der fragte ihn nur, ob er ihn fotografieren dürfe. Rindt legte den Samsonite-Koffer auf die Straße, gab Autogramme und meinte nur: "Jo. Hob i nix dagegen." "Der war so unhektisch, dass du dir gedacht hast: Toll, der Bursche!", erinnert sich Josimovic.

Als sein Sohn 1953 geboren wurde, gab es gegenüber dem Krankenhaus in der VHS einen Kurs zur Entwicklung von Farbfilmen. Der Vortragende aber konnte dem begeisterten Hobbyfotografen nichts beibringen, im Gegenteil begann der, selbst Fotos zu entwickeln. In seine Hasselblad-Kamera, die im Büro der Werkstatt herumlag, hatte er einen Zwölf-Bilder-SW-Mittelformat-Film eingelegt. Er holte sie und begann zu fotografieren. Der Licona-Chef war mittlerweile auch schon herüben, und auf den Fotos sieht man heute begeisterte Mitarbeiterinnen wieder in Richtung Geschäft laufen, mit ihren 70er-Jahre-Taft-Frisuren. "Da ist es zugegangen in der Gass’n", lacht Josimovic. "Alle haben gefragt: Wos is bei eich los? Der Rindt is do?"

Einfach lässig in allem

"Er war so locker in allem, so lässig in allem"
Foto: Christian Fischer

Eine halbe Stunde lang hat sich "der Rindt" Zeit genommen. Dann verabschiedete er sich und fuhr weg, "sehr solide". Manche fragten Josimovic, ob sie später Fotos haben könnten, aber fürs Fotosausarbeiten hatte der Radiomeister in diesen Tagen gar keine Zeit. Im Wiener Prater war nämlich die Frühjahrs- und Herbstmesse, er hatte dort einen Stand, und der musste bis zur Eröffnung am darauffolgenden Sonntag noch aufgebaut werden. Am Samstag, den 5. September, stand er dann in der Halle, alle Radioanbieter hatten ihre Geräte auf Lautstärke zehn aufgedreht, "da war ein Mordslärm, alle waren guter Stimmung".

Aber genau in dieses Hochgefühl hinein kam auf einmal – über alle Radios – die Meldung, dass Jochen Rindt gestorben war. Er hatte beim Abschlusstraining in Monza Denis Hulme überholt und näherte sich der Parabolica-Kurve, als – so die Vermutung später – die vordere rechte Bremswelle an seinem Lotus 72 brach. Rindt donnerte in die Leitplanken, drehte sich, stieß gegen die Begrenzung, Stillstand. Seine Beine lagen frei, seine Luftröhre war gerissen, jede Hilfe kam zu spät.

"Es war mäuschenstill in der Halle", erinnert sich Josimovic. "Jeder hat sein Radio abgedreht, die ganze Halle ist förmlich in die Knie gegangen, alle waren betroffen. Und ich war es besonders." Der Radiotechniker und leidenschaftliche Fotograf hatte, ohne es zu wissen, zwei Tage zuvor die letzten privaten Fotos von Jochen Rindt aufgenommen, dem österreichischen Weltstar, der am 3. September 1970 um die Mittagszeit zu ihm in die Garage gekommen war, um sich das Radio reparieren zu lassen. "Er war so locker in allem", sagte Josimovic noch einmal, diesmal mit Tränen in den Augen. "So lässig in allem." (Manfred Rebhandl, 12.9.2020)