Die Stadt Wien will verschärfte Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus setzen. Nur: Die rechtliche Handhabe ist nicht ganz geklärt.

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"Wir haben die Konsequenzen gezogen", sagte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Freitag vor Journalisten, als er die Empfehlungen des medizinischen Krisenstabs der Stadt im Kampf gegen die Corona-Krise präsentierte. Diese wolle man nun umsetzen.

Allerdings: Das Setzen regionaler Maßnahmen sei aktuell rechtlich nur in bestimmten Bereichen und eingeschränkt möglich. Jedoch gebe es vom Bund die Zusage, rechtliche Anpassung zeitnah vorzunehmen, damit einzelne Länder zusätzliche Maßnahmen setzen können. "Wir können nur festhalten, dass wir mit großer Überzeugung gewillt sind, diese Regelung zu machen", sagte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). "Wir werden sehr innovativ und kreativ sein."

Wieder Infektionen Älterer

Während im den vergangenen Monat die Infektionen vor allem die jüngere Generation betrafen, beobachtet die Stadt nun, dass auch ältere Personengruppen wieder stärker betroffen sind. Da die Krankheitsverläufe in dieser Gruppe meist schwerer sind, führe das dazu, dass die Belegzahlen in den Krankenhäusern steigen, sagte Ludwig. Zudem steht die Grippesaison bevor, was die Stadt in Kombination mit Covid-19 vor besondere Herausforderungen stelle.

Es sei wichtig, die "Balance zu halten", betonte Hacker. Auf der einen Seite stünden die Maßnahmen, "die wir brauchen", und auf der anderen, dass man "so wenig Schaden für die Wirtschaft wie möglich" anrichte. Man sei sich bewusst, dass das wirtschaftliche und soziale Leben im größtmöglichen Ausmaß aufrechterhalten werden müsse. Um schwerwiegendere Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt zu vermeiden, spricht sich die Stadt nun jetzt schon für zusätzliche Maßnahmen aus. "Wir waren nicht sehr glücklich, dass wir in Österreich alle Spielregeln gänzlich wieder aufgehoben haben", sagte Hacker. Das sei der Grund für eine "intensive Diskussion" gewesen.

Die Empfehlungen der Stadt Wien

Krankenanstalten und Pflegeheime: Wien setzt das routinemäßige Testen vor der Aufnahme in Spital und Pflegeheimen jedenfalls fort, auch wenn dies gemäß der bundesweiten Corona-Ampel erst bei Stufe Rot vorgesehen ist.

Handel: Der Mund-Nasen-Schutz soll in der Hauptstadt von Kunden und Kundinnen nun im Kundenbereich des gesamten Handels getragen werden.

Gastronomie: In Restaurants soll der Mund-Nasen-Schutz auf dem Weg bis zum Tisch getragen werden. An Bars soll ebenso Maske getragen werden. "Wir brauchen die Maske an der Bar, sie wird uns keinen Spaß machen, aber ermöglichen, wieder an der Bar zu stehen", sagte Hacker. "Das, was an der Bar gilt, gilt auch an der Budel am Sportplatz, im Theater und in der Halle." Man müsse damit aufhören, für jeden Ort eine andere Regelung zu haben. "Ich kann gut damit leben, dass diese Spielregeln für ganz Österreich gelten, aber ich kann auch gut damit leben, wenn sie nur in Wien gelten", sagte Hacker.

Arbeitswelt: In Sozialräumen von Arbeitsstätten und Orten sozialer Interaktion soll es Sensibilisierung geben, Maßnahmen sollen an die jeweilige Situation angepasst werden. Zum Beispiel: Der Mund-Nasen-Schutz könnte in sozialen Begegnungsräumen getragen werden, Abstand soll auch in Großraumbüros eingehalten werden. Während vor allem Personen mit Kundenkontakt besonders vorsichtig seien, lägen die Probleme an anderen Orten, sagte Hacker: "Die Problemzonen sind die Sozialräume, dort, wo man ein bisschen Dampf ablassen kann und Energie tankt."

Regulierung für "geschlossene Veranstaltungen": In Gastronomiebetrieben, Vereinslokalen und Ähnlichem sollen die gleichen Regelungen wie in der Gastronomie gelten. "Auch bei der Hochzeit, beim Freudenfest" habe das Virus "keine Lust", seine Ansteckungskraft zu verändern. Die Veranstaltungen in Lokalen seien aber zu unterscheiden von Familienfeiern und Zusammenkünften in Privaträumen.

Zusätzlich werde man an einer Regelung für Märkte arbeiten und den Mund-Nasen-Schutz in den Amtsgebäuden der Stadt auf den Gängen ergänzend zur derzeitig gültigen Regelung in Kundenbereichen vorschreiben.

"Ich hoffe, dass wir diese Spielregeln wieder stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung bringen", sagte Ludwig. In den Wiener Öffis gebe es zwar "ziemlich lückenlos" die Bereitschaft, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen, aber dieser müsse auch sonst wieder ins Gedächtnis gebracht werden.

Genug Plätze im Krankenhaus

"Wir müssen uns vorbereiten, und wir müssen uns mit Maßnahmen vorbereiten, die alle verstehen und die nicht zu kompliziert sind", erklärte der ärztliche Direktor des Wiener Gesundheitsverbunds, Michael Binder. In den Krankenhäusern habe man ausreichend Kapazitäten. Doch danach allein könne man sich nicht richten: "Nur der kleinste Teil der Infizierten muss ins Krankenhaus", sagte Binder. Er appellierte an die Bevölkerung: "Abstand halten, Maske tragen, wo es notwendig ist, Hände waschen nicht vergessen und die Vernunft walten lassen."

Wie lange diese Verhaltensregeln gelten würden? "Ich weiß es nicht, es ist eine weltweit einzigartige Situation eingetreten."

Vorbereitung auf den Herbst

Neben den schärferen Maßnahmen habe die Stadt weitere Vorkehrungen für den Herbst getroffen.

Grippe-Impfaktion: Bereits im April seien 400.000 Impfdosen bestellt worden. Es soll eine breite Impfaktion mit Impfstraße, Betriebsimpfungen und Risikogruppenimpfungen geben. Das Ziel der Stadt: die Durchimpfungsrate von acht auf 25 Prozent zu verdreifachen.

Schutzausrüstung: Wien kauft für den niedergelassenen Bereich, die Spitäler, Pflegewohnhäuser und das Land Burgenland ein. Mehr 120 Tonnen Schutzmaterial seien beschafft worden, weitere Lieferungen kommen.

Ausbau von 1450: Weil die Stadt davon ausgeht, dass die Anrufe im Herbst wieder zunehmen werden, wird ein dritter Standort für 1450 angemietet. Die meisten Anrufe gab es im März mit 20.000 pro Tag.

Unterkünfte für Covid-Patienten: Ab Herbst soll es 30 Unterkünfte mit 6.000 Plätzen für Menschen mit Betreuungsbedarf geben. (Oona Kroisleitner, 11.9.2020)