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Wenn Sie sich noch an die Zeit erinnern können, als Milch und Honig die Kärntner Straße entlangflossen, sind Sie vermutlich ein Baby-Boomer. Sie hatten es einfacher damals. Es gab ein stetiges Wirtschaftswachstum, die Jobs waren so sicher wie die spätere Luxuspension, das Gehalt eines Installateurs reichte für einen Palast. So oder so ähnlich war das damals.

Sollten Sie hingegen ein Millennial sein, dann schaut die Sache anders aus. Sie sind gerade in ihren späten 20ern oder frühen 30ern, der Rushhour des Lebens, und rasen durch die Abstiegsgesellschaft. Sie gehören zur Generation Praktikum, kriegen den Klimawandel mit der Breitseite ab und werden nie so viel haben wie Ihre Eltern, egal, wie sehr Sie sich anstrengen. So ist das – oder so was in die Richtung.

Seit Jahren schwelt eine gesellschaftliche Diskussion vor sich hin, die auf diesem – natürlich völlig übertrieben beschriebenen – Gegensatz beruht: Frühere Generationen hätten es einfacher gehabt. Die jungen Leute wären zu spät zur Party aufgetaucht, und jetzt sei halt der Kartoffelsalat schon weg. Es geht um ein gegenseitiges Unverständnis, stumme Vorwürfe, die 2019 in einer Phrase kumulierten: "Okay, Boomer". Ein rhetorisches Augenrollen, das die eigene Frustration ironisierte: Mach du mal, Boomer. Zwischen deinem Leben und meinem gibt es eine so große Kluft, dass es sich nicht mal zu Reden lohnt.

Millennial-Jammerlappen auf der einen; saturierte, verständnislose Boomer auf der anderen Seite. Das ist die Ausgangslage einer Debatte, die sich immer wieder an einzelnen Punkten entzündet – zum Beispiel am Erwerb von Immobilien. Da wirkt es in der Diskussion gerne mal, als hätte man das Eigenheim früher auf dem Rückweg vom "Konsum" mit dem Wechselgeld erstehen können. Und es gibt auch den impliziten Vorwurf an die Millennials: Wenn ihr euch am Riemen reißen würdet, könntet ihr das auch alles haben.

Weniger Vermögen

Dass Vermögen – und damit auch Immobilien – ein politisches Kampffeld sind, überrascht nicht. Aber was bleibt von der Debatte, wenn man die Emotionen abzieht? War es früher wirklich einfacher, eine Immobilie zu bauen oder zu kaufen? Lässt sich diese Frage überhaupt beantworten? Oder wie kann man sich ihr zumindest annähern?

Man könnte zum Beispiel damit beginnen, ein paar Zahlen aus dem Weg zu räumen. Die Österreicher sind verhältnismäßig immobilienfaul. 43 Prozent der Menschen wohnen zur Miete, das ist in Europa fast Spitze. Der Immobilienbesitz ist nicht regional gleich verteilt: Den höchsten Wert an Immobilienbesitzern hat das Burgenland; Wien hat eine Eigentumsquote von nur 19 Prozent, was den Schnitt für Gesamtösterreich hinunterzieht.

Dass Junge heute statistisch weniger haben als ihre Eltern, ist unbestritten. Laut Berechnungen des Internationalen Währungsfonds besitzen Millennials 40 Prozent weniger Vermögen als ihre Eltern im selben Alter. Im Jahr 1996 wohnten zwei Drittel der 25- bis 35-jährigen Briten im Eigenheim, 2016 war es nur noch ein Viertel. Das Durchschnittsalter der Immobilien-Ersterwerber lag in Deutschland 1984 noch bei 37, heute bei 49 Jahren.

Die Gründe

Und auch im Einkommen zeigt sich ein ähnliches Bild: Laut Berechnungen der OECD gehörten 70 Prozent der Babyboomer mit Mitte 20 zur Mittelschicht, bei den Millennials sind es nur noch 60 Prozent. Für Österreich ist die Datenlage – wie so oft – leider dürftig.

Man könnte auch bei den Menschen anrufen, von denen man ziemlich sicher weiß, dass sie mal ein Haus gebaut haben – die eigenen Eltern zum Beispiel. Meine Eltern waren Anfang 30, als sie sich ein Haus im Speckgürtel einer deutschen Großstadt bauten. Sie hatten zwei Einkommen, meine Mutter war allerdings in ihren 20ern mehrere Jahre in Karenz. Sie sparten sich ein wenig Eigenkapital an, bekamen staatliche Beihilfen, nahmen einen großen Kredit auf. Am Ende stand erst ein Bungalow, dem später ein Dachausbau folgte. "Wir haben uns jahrelang extrem eingeschränkt", sagt Mama. Meinen Eltern ging es nicht schlecht. Aber die Vorstellung, ein Immobilienerwerb wäre ohne größere Erbschaft früher einfach gewesen, ist natürlich auch zu simpel.

Damit wären wir beim ersten wichtigen Einflussfaktor für die Möglichkeit zum Erwerb von Eigentum: Geld. Wohneigentum korreliert stark mit Einkommen. Dieser Zusammenhang wurde in einer Studie der WU 2020 erneut bestätigt: Im unteren Drittel der Einkommensskala wohnen 60 Prozent der Menschen zur Miete, im oberen nur noch 28,8 Prozent. "Da gibt es eine starke Segregation nach Einkommen", sagt Studienautor Emanuel List.

Und diese Verteilung zementiere die Unterschiede auch eher ein: Der Anteil an Menschen, der mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten aufwende, sei unter Mietern fast 20, bei Eigentümern nur drei Prozent. Aber auch das ist ein bisschen komplizierter. Meine Eltern hatten in ihrer frühen Karriere kein hohes Haushaltseinkommen, aber einen entscheidenden Vorteil: Sie waren früh verbeamtet und hatten ihr Einkommen sicher. Klassischen stabile Erwerbslaufbahnen werden seltener. Und es gibt eine sich öffnende Einkommensschere zwischen denen, die ganzjährig vollzeitbeschäftigt sind und dem Rest.

Zu spät zur Party

"Um einen Kredit abzubezahlen, braucht es eine stabile Erwerbsbiografie", sagt Lukas Sustala. Der Ökonom und Direktor des Neos Lab, der Parteiakademie der Neos, hat heuer das Buch Zu spät zur Party veröffentlicht, das sich mit der Generationen-Thematik beschäftigt. "Wer heute 35 ist, war früh im Berufseinstieg mit den Folgen der Finanzkrise konfrontiert. Zu dieser Phase des geringeren Wachstums und schwächerer Gehaltsentwicklungen kommen nun auch noch die Verwerfungen der Pandemie, die anders als die Gesundheitskrise selbst junge Menschen stärker treffen." Eine Frage wie der Erwerb der eigenen Immobilie sei nie monokausal und von vielen Faktoren abhängig, aber die Alterskohorteneffekte seien real, im Kauf- wie im Mietmarkt.

Brüchige Erwerbsbiografien sind ein Grund für den erschwerten Immobilienerwerb, da sind sich alle einig. Ein anderer ist die Flucht ins "Betongold": Wenn Investoren wenig Vertrauen in andere Anlageformen haben, investieren sie verstärkt in Immobilien, die historisch gesehen eine gewisse Sicherheit bieten. Und wenn es mehr Nachfrage gibt, steigen die Preise. Das ist einfache Marktlogik.

Die Immobilienpreise

Und damit sind wir beim zweiten wichtigen Einflussfaktor: den Immobilienpreisen. "Die Preissteigerungen der letzten Jahr waren vor allem in Wien überdurchschnittlich", sagt Karin Wagner, Senior Expert bei der Oesterreichischen Nationalbank. Das ist logisch: Im urbanen Raum wird die Nachfrage nach Wohnraum in den nächsten Jahrzehnten eher nicht abnehmen, auch weil Grund und Boden – der größte Preistreiber – endlich sind.

Die Preise rennen der Lohnentwicklung tendenziell davon: Seit dem Jahr 2000 haben sich die Immobilienpreise in Wien mehr als verdoppelt, der Netto-Medianlohn stieg im selben Zeitraum nur um 38 Prozent. Das geht so weit, dass der Chef der Erste Bank, der eigentlich mit Krediten Geld macht, 2019 in einem Interview Familien mit Kindern "im Moment" eher Miete statt Kauf empfahl. Experten der Arbeiterkammer verweisen deshalb auch darauf, dass sich der Miet- und der Kaufmarkt nicht sauber trennen lassen: Wenn Anleger teuer kaufen, müssen sie auch teuer vermieten.

Nun ist das Ganze aber leider noch komplexer. Es geht nicht nur um Preise und Einkommen, sondern auch um Kredite. Die wenigsten Käufer können eine Immobilie einfach so aus der Tasche zahlen. In Zeiten von Niedrigzinsen, also wie heute, bekommen wir günstige Kredite. Das ist allerdings ein zweischneidiges Schwert: Meine Kredite werden günstiger, aber ich bekomme auch weniger Geld beim Sparen. Der Bausparer, den die Oma für den Enkel anlegt und der schön 15 Jahre Zinsen abwirft, der ist heute schwerer möglich. Und das ist ein Problem.

Das Dreieck

Ein Anruf bei Michael Voigtländer, Wohnbauökonom beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. "Kredite sind heute günstig zu bekommen, wenn man die nötige Eigenkapitalschwelle erreicht", sagt Voigtländer. Das Problem sei, dass diese Schwelle heute für viele aufgrund der beruflichen Situation und der schwierigen Zinslage schwerer zu erreichen sei – vor allem für Normalverdiener. In Deutschland besitzen 90 Prozent der Mieter weniger als 50.000 Euro an Ersparnissen, und selbst mit diesem Eigenkapital kommt man in Großstädten oft nicht weit. Das erhöht die Bedeutung der Geburtslotterie. "Wir sehen, dass Erbschaften oder Bürgschaften von Eltern in den letzten zehn Jahren wieder relevanter geworden sind", sagt Voigtländer.

Die Sache ist also kompliziert, aber über das Dreieck "Erwerbsbiografien – Immobilienpreise – Zinsen" kann man sich dem Problem ganz gut nähern. Und dort ist das Bild nicht ganz so eindimensional, wie es auf den ersten Blick ausschaut. Die Oesterreichische Nationalbank erstellt seit dem Jahr 2000 regelmäßig den Affordability-Index, der misst, ob eine Familie mit dem mittleren Einkommen genug Einkommen hat, um sich für eine Hypothek auf ein Haus mit mittlerem Preis zu qualifizieren. Der schwankt mit Preisen und Zinsen, aber verschlechtert sich nicht grundlegend.

Es gibt neben diesem Dreieck noch ein paar andere Einflussfaktoren, welche die "Es ist alles schwieriger geworden!"-These ein wenig relativieren. Es gibt die anekdotische Argumentation, dass Häuser früher über mehrere Jahre, mit mehr Eigenleistung, mehr Nachbarschaftshilfe und weniger auf Rechnung gebaut wurden. Das mag sein, Daten dazu gibt es wenige.

Was allerdings feststeht: Unsere Ansprüche sind gewachsen. Der durchschnittliche Österreicher wohnt heute auf knapp 45 Quadratmetern, im Jahr 1991 waren es knapp 33, wobei ein Teil davon ein statistischer Effekt der Zunahme von Single-Haushalten ist. Kategorie-D-Wohnungen in Wien, die man günstig erwerben und selbst renovieren konnte, sind weitgehend verschwunden. Wohnen kostet uns also heute mehr, wir wohnen allerdings auch besser als früher.

Stabiles Paar, stabile Erwerbsbiografie

Darüber hinaus spielt die Wahl des Wohnorts eine Rolle (im Burgenland kann ich mir eher eine Immobilie leisten als in Innsbruck), genauso wie demografische Gründe. Wir heiraten seltener und finden später zusammen. Meine Eltern konnten sich das Haus auch deshalb leisten, weil sie mit Anfang 20 kennengelernt haben und die Ehe gehalten hat. Ein stabiles Paar mit einer stabilen Erwerbsbiografie schafft das natürlich auch heute.

Und wie ist jetzt die Antwort auf die Frage? Ist es für Millennials schwieriger, Immobilien zu erwerben, als es für die Boomer war? Die Antwort ist wie so oft wahrscheinlich: ja, aber. Durchschnittlich war es damals für ein Mitglied der Alterskohorte der heute 56- bis 74-Jährigen eher möglich, als es für einen heute 21- bis 35-Jährigen ist. Das sind natürlich statistische Aussagen, die nicht auf die Individualebene herunterzubrechen sind.

Wer heute mit 24 einen okay bezahlten Job nebst Partner findet, beides behält und diszipliniert Geld zur Seite legt, wird sich ein Haus oder Wohnung leisten können. Aber die Fälle, wo alle diese Parameter stimmen, werden seltener. Und auch wahre statistische Aussage über Alterskohorten/Generationen bergen immer die Gefahr, die gewaltigen Unterschiede innerhalb dieser Gruppen zu verdecken.

Die Antwort

"Ich glaube, dass wir unsere Eigentumsgläubigkeit bezüglich Wohnraum hinterfragen müssen", sagt Barbara Ruhsmann, Obfrau des Vereins "Forum Wohn-Bau-Politik". Ein Immobilienkauf sei prinzipiell gut, verlange aber Ortsgebundenheit und sei auch finanziell nur unter bestimmten Bedingungen besser als Miete. Als Alterssicherung ist ein Haus in Zeit der Landflucht nur in Ballungsräumen noch eine sichere Anlage. Das eigene oder elterliche Haus im ländlichen Tirol oder Oberösterreich loszuwerden kann schwierig sein.

Und dann ist da ja auch noch Corona. Für eine Bewertung, wie sich die Situation auf den Immobilienmarkt auswirken wird, ist es noch zu früh. Die Signale sind gemischt: Viele Immobilienmakler erwarten einen negativen Effekt auf die Preise, in Deutschland stiegen sie aber auch im zweiten Quartal. In Österreich gab es laut einer Auswertung der Immobilienunternehmen Remax und Immo United im ersten Halbjahr 2020 sogar mehr Immobiliendeals als im Vergleichzeitraum 2019, der Markt hatte sich im April bereits wieder erholt.

Langfristig wird es aber wohl Folgen haben, weil diese Krise wieder die Jungen überdurchschnittlich trifft. Ein heute 34-jähriger, der seit zehn Jahren am Arbeitsmarkt ist, durchläuft in seiner Erwerbskarriere jetzt bereits den zweiten wirtschaftlichen Schock. Und Ökonomen kennen sogenannte "Scarring"-Effekte: Einen Berufseinstieg in einen schwachen Arbeitsmarkt trägt man mit Pech ein ganzes Arbeitsleben lang als Rucksack mit herum.

Letzteres könnte ein Problem sein, nicht nur für die Millennials oder die Gen Z, sondern auch für die Baby-Boomer. Viele von ihnen werden in den nächsten Jahren ihre Häuser verkaufen wollen. Die wahrscheinlichsten Käufer sind Millennials. Das kann ja heiter werden. (Jonas Vogt, 12.9.2020)