Birgit Hebein will, dass die SPÖ "Klartext" redet: Ob sie nach der Wahl mit der ÖVP oder den Grünen koalieren wolle.

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Die Promidichte war hoch beim Wahlkampfauftakt der Wiener Grünen am Samstagnachmittag im Sigmund-Freud-Park. Nicht nur die Spitzenkandidatin Birgit Hebein, die Kandidaten auf der grünen Landesliste und die drei grünen Bezirksvorsteher waren anwesend, sondern auch alle grünen Mitglieder der Bundesregierung: Vizekanzler Werner Kogler, Umweltministerin Leonore Gewessler, Justizministerin Alma Zadić und Gesundheitsminister Rudolf Anschober.

Von einer Party, wie Wahlkampfauftakte normalerweise gestaltet sind, um die freiwilligen Helferinnen und Helfer in der Endphase des Wahlkampfs nochmals zu motivieren, damit sie um Stimmen laufen, war man diesmal allerdings weit entfernt. Jeder Besucher bekam einen Sitzplatz zugewiesen. Abseits davon galt Maskenpflicht. Auf die Coronaregeln wurde besonderen Wert gelegt – nicht nur wegen der Anwesenheit Anschobers.

Flüchtlinge als Wahlkampfthema

Corona war dann aber gar nicht das bestimmende Thema des Nachmittags, sondern vielmehr der Umgang mit den Flüchtlingen in Griechenland, nachdem das Camp in Moria gebrannt hatte und dort tausende nun ohne Obdach sind.

Vizebürgermeisterin Hebein fand deutliche Worte: "Wir diskutieren ernsthaft darüber, ob wir 100 Menschen aufnehmen. Leute, in was für eine Diskussion sind wir da geraten?"

Normalerweise helfe man, wenn es beim Nachbarn brenne. Es sei eine "üble Diskussion", wenn darüber nachgedacht werde, wenn man jetzt helfe, dass es dann beim übernächsten Nachbarn auch brennen könne. "Es sind Menschen in Moria, die haben weniger als nichts. Sie hatten schon vor dem Brand nichts." Ihr reiche diese "Diskussion der Unmenschlichkeit".

Hebein sagte, die Debatte werde wegen des Wiener Gemeinderatswahlkampfs geführt, "weil es der türkisen Partei wichtiger ist, 100 Stimmen von den blauen zu fischen als 100 Menschen aufzunehmen".

Grüne wollen Platz zwei

Die Wahl am 11. Oktober sei nicht nur eine Klimawahl. Es gehe um Platz zwei. Dieses Rennen "rufen wir heute aus", so Hebein. Wenngleich, das sei an dieser Stelle ergänzt, die Umfragen derzeit kein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ÖVP und Grünen prophezeien. Die Türkisen lagen zuletzt bei 20 Prozent, die Grünen bei rund 15 Prozent.

Hebein forderte die SPÖ zudem auf, "Klartext zu reden". Sie solle sich bekennen, mit wem sie nach der Wahl eine Koalition bilden wolle. Mit der "rückwärtsgewandten ÖVP" oder den Grünen, die die aus der Covid-19-Pandemie resultierende Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise mit der Klimakrise als einzige in Verbindung bringen würden und beide mit der selben Aufmerksamkeit bekämpfen wollen.

Als Beispiel nannte Hebein die Forderung nach einem Gratis-Öffi-Ticket für alle Wienerinnen und Wiener für ein Jahr: damit tue man der Umwelt was Gutes, genauso wie jenen Menschen in Wien, die jeden Euro umdrehen müssen und kein Auto hätten, auf das sie zurückgreifen können.

35-Stunden-Woche und 100.000 Bäume

An Wahlkampfforderungen darüber hinaus ganz oben: die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche für alle Gemeindebedienstete. Das würde laut Hebein nicht nur 7000 zusätzliche Jobs bringen, sondern auch in erster Linie Frauen entlasten – etwa Kindergartenpädagoginnen. Außerdem kündigte sie das Pflanzen von 100.000 Bäumen in der nächsten Legislaturperiode an.

Auch Vizekanzler Werner Kogler sprach über die vielen Krisen, die derzeit zu bewältigen seien. Großen Raum in seiner Rede nahm die von ihm so bezeichnete "Menschlichkeitskrise" ein. Er bedankte sich bei Wien, wo 100 Plätze für Flüchtlingskinder angeboten wurden. "Wir werden auf Bundesebene auch nicht lockerlassen", so Kogler. Mit Anspielung auf Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sagte er: "Es hat sich ein Spitzenkandidat gefunden, um mit deren Jargon (der FPÖ, Anm.) Wahlkampf zu machen."

Man dürfe sich aber nicht von falschen Argumenten ablenken lassen. "Wenn behauptet wird, die Aufnahme von Flüchtlingen soll eine Sogwirkung auslösen, ist das nicht nur falsch, sondern am Rande des Zynismus."

Hebein sei in Wien Garantin dafür, die Schaffung von Jobs und Umweltschutz zu verbinden. "Kein Verständnis" habe er für das "lästige und primitive Wien-Bashing".

Rot-Grün III gefordert

In Richtung SPÖ sagte er, sie mache vieles richtig, aber oft erst zeitverzögert. "Die Grünen gehen voran, die SPÖ hinterher. Machen wir weiter so", sprach Kogler sich für eine Fortsetzung von Rot-Grün in Wien nach dem 11. Oktober aus. (Rosa Winkler-Hermaden, 12.9.2020)