Bei der SPÖ Wien läuft momentan anscheinend alles wie am Schnürchen. Umfragewerte von denen die Partei auf Bundesebene nur träumen kann und wenn man den Demoskopen Glauben schenkt, und es nicht mit dem Teufel zugeht, ist Michael Ludwig der Bürgermeistersessel nicht mehr wirklich zu nehmen. Dagegen dümpelt die Bundespartei bei mageren 20 Prozent herum und ist weit davon entfernt der ÖVP unter Sebastian Kurz den Kanzlerposten streitig zu machen. Warum liegen zwischen den Wiener Sozialdemokraten und ihren Genossen im Bund Welten?

Der Bund hätte gern, was Wien hat.
foto: APA/ROBERT JAEGER

Langer Marsch durch die Institutionen

Im Unterschied zur Landespartei in Wien fehlt es in der Zentrale an den notwendigen Humanressourcen und dem damit verbundenen Humanpotenzial. Obwohl das Human- und Sozialkapital durchaus vorhanden wäre, steht die aktuelle Parteichefin Pamela Rendi-Wagner als “One Women Show“ alleine da. Dabei hätte sie durchaus mit dem “juvenilen Karl Marx“, Max Lercher, oder mit der eloquenten Julia Herr Zukunftshoffnungen in ihren Reihen, die an der Wählerfront dringend benötigt würden. Leider findet die Jugendförderung zum Aufbau zukünftiger Parteichefinnen und Parteichefs nicht wirklich statt.

Max Lercher fristet ein Dasein als Hinterbänkler im Parlament und wurde strategisch unklug von seiner Schlüsselfunktion als Bundesgeschäftsführer von Christian Deutsch abgelöst. Auch andere Grassroot-Bewegungen innerhalb der Partei, wie etwa die vom Kärntner Wirtschaftsanwalt Oliver Stauber neu gegründete Sektion ohne Namen, könnten neben den alteingesessenen Machtzentren mehr eingebunden werden, um die Schlagkraft der Partei zu erhöhen und den Jungen eine Chance zu geben. Der Marsch durch die Institutionen der SPÖ dauert zu lange und es setzen sich nicht immer die Fähigsten, sondern die mit dem größten Sitzfleisch und der besten Anpassungsfähigkeit durch.

COMVIVO

Wien ist anders

In Relation dazu ist Ludwig kein Einzelkämpfer, sondern verfügt über ein breit aufgestelltes Team an politerfahrenen Haudegen. Mit dem erfahrenen Sozial- und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, der in der Coronakrise einen eigenständigen Weg eingeschlagen hat und souverän eine “Wiener Linie“ fährt, deckt er den linken Flügel der Bewegung ab, während er selbst dezente Signale an den rechten Flügel aussendet. Der Wirtschafts- und Finanzstadtrat Peter Hanke setzt seine Duftmarke mit Corona-Hilfen für Wiener Unternehmen. Außerdem gelingt es der medial omnipräsenten Umweltstadträtin Ulli Sima auf ihrem Sektor beim Wählerkuchen der urbanen Grün-affinen zu naschen.

Ein Team, das durchaus ministrabel und kanzlerfähig für den Bund wäre. Es wird jedoch keiner der Genannten auf den bundespolitischen Schleudersitz wechseln. Mit dieser Performance und dem Wiener Weg bei der Corona-Pandemie gelingt es sogar Themen wie zum Beispiel das manifeste Integrationsproblem in der Bundeshauptstadt zu cachieren. Ein weiteres Asset haben die Genossen an der Donau: Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine wirklich gefährliche politische Konkurrenz, weder aus dem konservativen Lager noch von linker oder rechter Seite. So dürfte die Ampel im politischen Sinne im Oktober in Wien erneut auf Rot schalten. (Daniel Witzeling, 16.9.2020)

Weitere Beiträge des Bloggers