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Auch jetzt gibt sich Kanzler Sebastian Kurz (rechts) alarmistischer als Gesundheitsminister Rudolf Anschober.

Foto: Reuters/Leonhard Foeger

Die aktuelle Corona-Lage bietet eine Reihe von Déjà-vu-Erlebnissen. Sie sind zum Großteil bitter. Da ist die erneute Erkenntnis, was für eine virale Kraft dem Erreger innewohnt: Tritt er in einem Umfeld auf, der seine Verbreitung erleichtert, werden aus einem Fall im Handumdrehen ein dutzend Fälle; Mini-Cluster nennt man das dann.

Und da ist die aktualisierte Einsicht, dass man mit Corona keine Kompromisse schließen kann. Zwar stecken die derzeit von der Fallzunahme in Österreich hauptbetroffenen Unter-40-Jährigen die Infektion in der Regel leichter weg. Und die vom deutschen Virologen Hendrik Streeck geäußerte Ansicht, dass die unter den Jungen häufigeren symptomlosen Verläufe den Immunitätslevel in der Bevölkerung steigern, ohne direkten Schaden anzurichten, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Masken, Abstandhalten, Händewaschen

Doch will man verhindern, dass sich die Infektionen in den kommenden Wochen hin zu den Alten verbreiten, die ungleich öfter schwer an Covid-19 erkranken und ein weit höheres Sterberisiko tragen, sind Masken, Abstandhalten und häufiges Händewaschen alternativlos. Für alle und jeden Tag, so nervig es auch ist.

Das alles haben wir schon einmal im Frühjahr durchlebt, damals mit panischen Vorzeichen. Im April warnte Bundeskanzler Sebastian Kurz vor zusätzlichen 100.000 Toten durch das Virus in Österreich. Das hat die darauffolgende Zeit des Anti-Seuchen-Hausarrests nicht eben versüßt.

Einfallstor Angst

Hoffentlich verzichten er und andere Politiker daher nun auf derlei schwarze Pädagogik! Denn Angst ist ein Einfallstor dafür, dass Bürgerinnen und Bürger Grundrechtseingriffe in Kauf nehmen. Als wichtiger Kontrollfaktor dürfte sich hier die neue Regel entpuppen, dass vor etwaigen grundrechtssensiblen Einschnitten künftig der Hauptausschuss des Nationalrats konsultiert werden muss – und damit die Opposition.

Auch jetzt gibt sich Kurz alarmistischer als Gesundheitsminister Rudolf Anschober. "Wir erleben gerade den Beginn der zweiten Corona-Welle", sagte der Kanzler am Sonntag. Anschober hingegen wollte in der ORF-Pressestunde erst im Fall einer exponentiellen Zunahme der Infektionszahlen von einer solchen Zuspitzung sprechen. Und er äußerte darüber hinaus Hoffnung auf zeitnahe Verbesserung: Die ab heute, Montag, geltende generelle Maskenpflicht beim Einkaufen und bei kontaktgebundenen Dienstleistungen, die strikteren Hygieneregeln in der Gastronomie und die reduzierten Besucherhöchstzahlen bei Veranstaltungen würden sich binnen zehn bis 14 Tagen positiv in der Statistik niederschlagen, sagte er. Möge er recht behalten.

Besser als Warnungen

Auf alle Fälle aber lassen sich schwere Zeiten mit Erfolgsaussichten einer kollektiven Anstrengung besser als mit Warnungen überstehen. Wobei die positivste Nachricht des Wochenendes aus Großbritannien kam: Nach Abklärung eines Krankheitsfalls während der finalen Tests des Corona-Impfstoffs der Universität Oxford und der Firma Astra Zeneca können die Untersuchungen fortgesetzt werden. (Irene Brickner, 13.9.2020)