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Gestrandet in der Obdachlosigkeit und der Verzweiflung: Das sind die Schlafstätten für Familien, die auf Hilfe angewiesen sind.

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Das sei ein Paket, das sich wirklich sehen lassen könne, hieß es am Sonntag in einer Nachricht des Innenministeriums. Am Samstag hat die Bundesregierung in einer von Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler gemeinsam verbreiteten Aussendung bekanntgegeben, dass Österreich in Griechenland "Soforthilfe" leisten werde. Mit diesem Paket sollen noch in dieser Woche 400 Unterkünfte (ausgestattet mit Heizungen, Betten, Decken) für 2000 Personen auf die griechische Insel Lesbos geschickt werden. Die Lieferung werde in zwei Transportflugzeugen erfolgen, das Gewicht betrage insgesamt 55 Tonnen, das seien 150 Paletten, wie es in einer Auflistung des Innenministeriums heißt.

Das Bundesheer werde einen Arzt und zehn Sanitäter nach Griechenland schicken. Geplant ist zudem die Verdopplung des Auslandskatastrophenfonds auf 50 Millionen Euro.

Flüchtlinge aufnehmen werde Österreich aber nicht. Das stellte Bundeskanzler Kurz am Samstag auf allen Kanälen und mit allem Nachdruck fest (siehe "Zitiert" unten im Infokasten). Österreich werde keine Symbolpolitik betreiben, lautete die eine Nachricht, 2015 dürfe sich nicht wiederholen, die andere.

Proteste auf Lesbos

Auf dieser Message blieb am Sonntag Innenminister Karl Nehammer drauf: "Ein Weiterwinken nach Mitteleuropa darf es nicht geben. Sonst erleben wir ein zweites 2015. Griechenland leistet hier gerade einen entscheidenden Beitrag, das zu verhindern." Nehammer berichtete von einem Telefonat mit dem griechischen Migrationsminister Notis Mitarakis: "Er erzählte mir von den Protesten von Migranten auf der Insel Lesbos, die auch zu Ausschreitungen und Gewalt gegenüber Polizisten geführt hatten. Die Migranten warfen mit Steinen auf die Einsatzkräfte, und sie forderten, nach Deutschland zu kommen." Die griechische Regierung werde den gewaltbereiten Menschen diesen Weg nicht ebnen.

Das Lager Moria war in der Nacht auf Mittwoch bei mehreren zeitgleichen Bränden fast vollständig zerstört worden. Statt der vorgesehenen 3000 Migranten waren dort mehr als 12.000 untergebracht. Einige sollen Feuer gelegt haben, nachdem für die Bewohner wegen Corona-Infektionen Quarantäne verordnet worden war.

Tausende verbrachten die Nacht im Freien

Tausende, darunter viele Kinder, verbrachten die folgenden Nächte im Freien. Humanitäre und staatliche Organisationen verteilten Wasser und Lebensmittel, wie das griechische Fernsehen (ERT) zeigte. Anderen Berichten zufolge gebe es weder Wasser noch Nahrung für viele Flüchtlinge. Am Samstag protestierten hunderte Migranten gegen ihre verzweifelte Lage. Dabei sollen auch Steine geflogen sein. Die Polizei setzte laut übereinstimmenden Medienberichten Tränengas ein.

Zehn europäische Staaten haben sich zur Aufnahme von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen bereiterklärt, von ihnen wollen allein Deutschland und Frankreich je 100 bis 150 übernehmen. Zu der Gruppe zählen auch Staaten, die bisher eine harte Linie in der Flüchtlingsfrage vertraten wie die Niederlande, Kroatien oder Slowenien.

Am Sonntag hat die Stadt Innsbruck ihr Angebot erneuert, Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen. Wie auch in Wien gibt es in Innsbruck einen entsprechenden Beschluss, dagegen sperrt sich allerdings die Bundesregierung.

Keine Krise in der Koalition

Grünen-Chef Kogler stieß sich beim Wahlauftakt der Wiener Grünen vor allem an der Befürchtung, eine Aufnahme von Menschen aus Moria könne eine "Sogwirkung" erzeugen. "Diese Ansicht ist nicht nur falsch, sie ist auch am Rande des Zynismus", kritisierte er. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) meinte am Sonntag in der ORF-Pressestunde, es gebe keine Koalitionskrise. Die Soforthilfe vor Ort wäre ein erster Schritt und ein "Teilerfolg", der nächste Schritt sei die Aufnahme von Kindern. Er sei überzeugt davon, "dass wir auch in diesem Thema Teil der europäischen Solidarität sein und Kinder aufnehmen sollen". (Michael Völker, 13.9.2020)