"Der ORF war nützlich in der Covid-Krise, er ist es auch jetzt, und in Wirklichkeit wehren sie sich nie." Stiftungsrat Heinz Lederer über das Bild des ORF bei der Politik.

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Heinz Lederer, Stiftungsrat der SPÖ und Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Stiftungsrat, ist der ORF "zu defensiv" im Umgang mit der Politik. "Mir fehlt unternehmerischer Mut", sagt Lederer dem STANDARD. Er meint vor allem die Umsetzung der lange diskutierten Sreamingplattform "ORF-Player", für die der ORF auf eine Reihe von Erleichterungen im ORF-Gesetz hofft.

Diese "Digitalnovelle" für den ORF war für diesen Herbst angekündigt, nun dürfte sie sich bis 2021 verzögern. Andere Medienunternehmer, Verleger und Privatsender haben im für Medien zuständigen Kanzleramt noch Bedenken und Forderungen angemeldet. Im ORF erklärt man sich nun "ready to go", wenn die Novelle kommt.

"Ready to go" signalisiere der Politik, sie könne die Novelle "noch einmal sechs Monate verschieben – oder auch noch sechs Monate", sagt Lederer. Das Bild des ORF aus seiner Sicht: "Der ORF war nützlich in der Covid-Krise, er ist es auch jetzt, und in Wirklichkeit wehren sie sich nie." Geschäftsführung und Stiftungsrat müssten in Sachen Player mit "mehr Offensivität und unternehmerischem Mut" auftreten, findet Lederer.

Lederer rät zudem zum "Schulterschluss mit den Ländern", Länder-Stiftungsräte, Landeshauptleute und ORF-Landesdirektoren müssten "Druck auf die Regierung aufbauen" für ein Digitalisierungspaket. Regionalberichte auf orf.at und den Seiten der Landesstudios beschränkt das ORF-Gesetz derzeit auf 80 pro Woche, erinnert Lederer hier.

Der ORF-Player

Der sogenannte ORF-Player soll Social-Media-Funktionen wie Foren auch mit Programmmachern und Empfehlungen mit Streaming verbinden. Der ORF will Beiträge und Formate eigens für diese Onlineplattform produzieren dürfen und Beiträge auch vor Fernsehen oder Radio dort anbieten. Bisher darf der ORF seine Inhalte (mit Ausnahmen) nur sieben Tage nach Ausstrahlung online abrufbar machen.

Zehn Module/Channels soll der Player umfassen, etwa für Information/Nachrichten ("Newsroom"), für Kultur/Wissenschaft/Religion ("Topos"), für Sport, für Kinder ("Okidoki"), einen Programm-Guide mit Bewertung und Empfehlungsfunktionen. Die ORF-Kanäle sollen komplett im Streaming verfügbar sein – das könnte als Argument gegen die bisher geltende Gebührenfreiheit von Streaming dienen.

Oberstes ORF-Gremium tagt

Diese Woche tagt wieder das oberste ORF-Gremium Stiftungsrat. Am Montagnachmittag sein Finanzausschuss, am Mittwoch der Programmausschuss, am Donnerstag das Plenum.

Die wichtigsten Stiftungsräte haben ORF-Chef Alexander Wrabetz auch über den Sommer zweimal getroffen, um mit ihm ein neues ORF-Strategiekonzept für 2021 bis 2025 zu diskutieren. Zentrales Thema auch dort naturgemäß: Digitalisierung, Streaming, der Player und wie der ORF dafür künftig arbeitet und produziert. Das Konzept soll laut Wrabetz wie Stiftungsräten Linien vorgeben für die nächste Geschäftsführung ab 2022, die der Stiftungsrat im Sommer 2021 bestellt.

Im Stiftungsrat wird Wrabetz also etwa über den Strategieprozess und Streaming und über den Baufortschritt auf dem Küniglberg referieren. Dort entsteht gerade ein multimedialer Newsroom, in dem Journalistinnen und Journalisten aus TV, Radio und Online ab 2022 zusammenarbeiten sollen. Einige Personalfragen stehen auch diese Woche auf der Tagesordnung.

Thema bei der Vorbereitung des Players ist derzeit im ORF auch die Bestellung eines Chefredakteurs für die Streamingplattform. Er wird als zweiter Chefredakteur in der ORF-Onlinetochter installiert. Als aussichtsreichster Kandidat wird Christian Staudinger gehandelt, er ist derzeit Sendungschef der "Zeit im Bild" und dürfte sich nach Informationen aus dem ORF auch beworben haben.

Als Manager für das Gesamtprojekt Player hat der Stiftungsrat im Frühsommer Roland Weißmann eingesetzt, stellvertretender Finanzdirektor des ORF und Chefproducer des ORF-Fernsehens.

"Collateral Damage für Creative Industries"

ORF-Chef Alexander Wrabetz hat mit Verweis auf Corona-Folgen für das Budget 2021 Einsparungen von 75 Millionen Euro im ORF angekündigt, der rund eine Milliarde Jahresumsatz hat.

Lederer warnt im Gespräch neuerlich vor "Collateral Damage" einerseits für die von ihm vielfach eingeforderte Personalentwicklung im ORF, andererseits für Österreichs Kreativbranche insgesamt. Der ORF spare seit Jahren "mit der Rasenmäher-Methode" am Personal, es würden "keine Potenziale erhoben".

Der von der SPÖ entsandte ORF-Stiftungsrat und Kommunikationsberater vermisst bisher auch "Antworten des Generaldirektors" – zu Themen wie Ausgewogenheit und Vielfalt der Experten und Stimmen in den ersten Monaten des Covid-Lockdowns im ORF. Er verlangt zudem eine Analyse über die Beschäftigung von Leiharbeitskräften im ORF. Und er will Auskunft zum Projekt einer zentralen Disposition von Personal im ORF – "das müsste sich doch inzwischen schon viel klarer darstellen", sagt Lederer. (fid, 14.9.2020)