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Das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist abgebrannt.

Foto: AP Photo/Petros Giannakouris

Dass Österreich überhaupt humanitäre Hilfe für die tausenden Obdachlosen auf der griechischen Insel Lesbos leistet, hält Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Wien für begrüßenswert. Immerhin gebe es weltweit ein riesengroßes Defizit an ebenjener. Unsicher ist er jedoch, wie zielgerichtet diese Hilfe erfolgt. Denn für Bachmann und MSF steht fest, dass jede Unterstützung bedarfsorientiert sein muss – also nicht einfach Güterlieferungen, so wie es gerade gefällt.

150 Paletten mit Unterkunftsbausätzen sollen noch diese Woche mit Transportmaschinen aus Österreich nach Lesbos geliefert werden. 400 Behausungen (ausgestattet mit Heizungen, Betten, Decken) für 2.000 Personen sollen so für die Geflüchteten auf Moria gebaut werden.

Nicht benötigtes Containerkrankenhaus

Bachmann erinnert in dem Zusammenhang an bereits getätigte Hilfslieferungen an das Flüchtlingslager auf Lesbos – etwa ein Containerkrankenhaus der niederländischen Regierung, das als "leere Hülle" in Moria stand, wie der MSF-Mitarbeiter erzählt. Es sei nämlich nur mit minimaler Ausrüstung, nicht adaptiert für den Einsatz während einer Corona-Pandemie und ohne Personal geliefert worden. Manchmal würden Hilfslieferungen auch auf den Flugplätzen der weltweiten Krisenregionen unausgepackt stehenbleiben, weil es vor Ort kein Know-how über den Aufbau beziehungsweise den Einsatz ebenjener gebe, sagt Bachmann. Österreich sollte deshalb auch mehr Fachpersonal schicken sowie Menschen von den griechischen Inseln aufnehmen.

Bereits seit Jahren plädieren Hilfsorganisationen wie MSF dafür, dass die Menschen aus den überfüllten Lagern der griechischen Inseln gebracht werden. Viele von ihnen seien chronisch krank oder bräuchten medizinische Versorgung, die auch die NGOs oder das marode griechische Gesundheitssystem nicht gewährleisten können. Dass sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union nicht darauf einigen können, wer wie viele Menschen aufnimmt, siegt Bachmann als Versagen Europas. Er verweist etwa auf die Hilfsbereitschaft anderer Länder mit weniger entwickelten Gesundheits- und Sozialsystemen. So hat Uganda im Jahr 2016 binnen sechs Monaten hunderttausende Geflüchtete aus dem Südsudan ausgenommen. "Europa kann in Sachen humanitäre Hilfe vom globalen Süden lernen", sagt der MSF-Mitarbeiter.

Nur Hinweise, kein Konzept

Auch gebe es eine größere Sensibilisierung dafür, wie wichtig Hygiene und ein medizinisches Programm in den Flüchtlingslagern seien, sagt Bachmann. Denn die Länder des globalen Südens seien epidemieerprobt. Im Gegensatz dazu habe es auf den griechischen Inseln nie ein passendes Konzept für die Eindämmung des Coronavirus gegeben. Vielmehr haben sich die Behörden auf Hinweise zu Abstandsregeln und regelmäßigem Händewaschen beschränkt, erzählt der MSF-Mitarbeiter. Und das sei mehr als zynisch in einem Lager, wo Menschen auf engstem Raum eingeschlossen und unzureichend bis gar nicht Zugang zu Wasser und Sanitäreinrichtungen hätten. "So wurde in Moria eine Krise produziert", sagt Bachmann. Das Virus sei mittlerweile auf Lesbos außer Kontrolle und würde Schutzsuchende und Inselbevölkerung gleichermaßen bedrohen. Es brauche Personal und Evakuierungsmaßnahmen, um Covid-19 einzudämmen. (Bianca Blei, 14.9.2020)