Wird künftig dem Klima zuliebe weniger geflogen? Billigflieger wie Wizzair gehen nicht davon aus.

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Die Corona-Pandemie hat die Airlinebranche besonders schwer erwischt. Leichter wird es so schnell wohl nicht, ganz im Gegenteil. Mit der kalten Jahreszeit werde es noch härter. Davon geht József Váradi, Chef der ungarischen Billigairline Wizz, aus. Die für die Fluggesellschaften traditionell schwachen Monate würden zu einer weiteren Belastungsprobe, so Váradi: "Der Winter wird für alle sehr hart."

Wer am Ende die Krise überleben und wer besonders Federn lassen muss, wird sich weisen. Wizz will trotz der schwierigen Bedingungen keine Strecken streichen, sondern eher die Flugfrequenzen reduzieren. Váradi geht davon aus, dass 70 Prozent der Wizz-Strecken in den kommenden Monaten bedient werden können. In den Sommermonaten habe man sich trotz des Umstandes, dass man mit 4,78 Millionen nur gut die Hälfte der Passagierzahl im Vergleich zum Vorjahr erreicht habe, schneller erholt als andere.

Umwälzungen auf dem Markt

In Wien haben sich die Gewichte laut Váradi in den vergangenen Monaten bereits kräftig verschoben. Ryanair/Lauda und Wizz hätten ihre Marktanteile deutlich ausgebaut, die AUA, aber auch die britische Easyjet und andere kleine Airlines an Gewicht verloren, die IAG-Marke Level ist schon seit Februar Geschichte. Der Wizz-Mitgründer zieht daraus seine Schlüsse: Am Ende werde in Wien ein relevantes Dreigestirn aus AUA, Ryanair/Lauda und Wizzair übrig bleiben, sagte er bei einer Pressekonferenz in Wien.

Váradi ist nach Wien gereist, um über den Stand der Dinge zu referieren und darauf hinzuweisen, dass bislang kein einziger Fall aufgetaucht sei, dass sich ein Passagier in einem Flugzeug mit dem Virus infiziert hätte. "Fliegen ist sicherer, als in den Supermarkt zu gehen", ist der Airline-Chef, nicht überraschend, überzeugt.

Wettbewerbsverzerrung

Váradi nutzte die Gelegenheit auch dafür, um einmal mehr seine Sicht über staatliche Unterstützungen für die Branche darzulegen. Die üppigen Staatshilfen, die Österreich der Lufthansa-Tochter AUA, aber auch viele andere Länder ihren Nationalairlines als Überlebenshilfe angedeihen lassen, würden den notwendigen Strukturwandel verhindern. "Man konserviert damit den Status quo mit ineffizienten Airlines." Die 33 Milliarden Euro, die bislang an die Airline-Industrie geflossen seien, bezeichnet er als Geldverschwendung und Wettbewerbsverzerrung. Es werde weder in die Restrukturierung noch in Innovation gesteckt. Abgesehen davon könnten die Fluglinien diese Kredite wohl nie zurückzahlen. Wizz brauche keine Staatshilfen, um die Krise zu durchtauchen.

Weniger Mitarbeiter, sinkende Preise

Wizzair selbst hat wie die meisten Airlines die Gehälter gekürzt und ein Fünftel seiner mittlerweile auf 4.000 Mitarbeiter geschrumpften Belegschaft gekündigt, Wien sei davon nicht betroffen. Wizz werde 2020 jedenfalls einen Verlust einfliegen, "wie jede andere Airline auch". Aber man sei mit einem Cash-Polster von 1,5 Milliarden Euro gut aufgestellt. Auch ein Worst-Case-Szenario haben die Ungarn durchgerechnet. Müssen alle Flugzeuge auf dem Boden bleiben, würde Wizz ein Minus von 70 Millionen Euro verbuchen – pro Monat. Was die von Konsumenten wiederholt beklagte zähe Rückerstattungen für Tickets betrifft, beteuert Váradi, dass man bisher schon viele Rückzahlungen abgewickelt habe und nur wenige Beschwerden erhalte.

Was den von der türkis-grünen Regierung im Zuge der AUA-Rettung geplanten Mindestpreis für Flugtickets betrifft, geht der Wizz-CEO davon aus, dass das legal nicht möglich sein werde. Die Ticketpreise – so seine Überzeugung – würden ganz im Gegenteil um zehn bis 20 Prozent sinken, um Passagiere anzulocken. "Das sehen wir bei jeder Krise."

Alleine ist er mit dieser Einschätzung nicht. Auch der deutsche Luftfahrtprofessor Christoph Brützel warnt, dass die flächendeckende Subventionierung in der Krise zu einem weiteren Auseinanderklaffen von Nachfrage und Angebot führt. Die Ticketpreise könnten in den kommenden Jahren "eher noch weiter unter Druck geraten, als dass die Träume vom Ende des Verdrängungswettbewerbs und der Billigtickets in Erfüllung gingen."

Auch daran, dass aufgrund der Klimakrise künftig weniger geflogen wird, glaubt Váradi nicht. Die Bahn sei allenfalls für kurze Strecken eine Alternative. (Regina Bruckner, 14.9.2020)