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An dem historischen Moment nehmen Vertreter der Vereinigten Staaten Amerikas, der Vereinigten Arabischen Emirate, Israel und Bahrain in der US-Hauptstadt Washington, D.C., teil.

Foto: AP / Ariel Schalit

Der ganz große Rosengarten-Moment bleibt dem wahlkämpfenden US-Präsidenten versagt. Wenn Donald Trump am Dienstag der Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) vorsteht, fehlt quasi die arabische Braut, die sich traut: Der Kronprinz von Abu Dhabi und de facto Herrscher der VAE, Mohammed bin Zayed Al Nahyan, schickt nur seinen Bruder, Außenminister Abdullah bin Zayed, nach Washington – während aus Israel trotz des neuen Corona-Lockdowns Premierminister Benjamin Netanjahu anreist. Ebenfalls dabei ist der Außenminister von Bahrain, das vergangenen Freitag dem Beispiel der Emirate folgte und die Normalisierung der Beziehung mit Israel bekanntgab.

Dass MbZ (wie Mohammed bin Zayed analog zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman – MbS – oft genannt wird) der Zeremonie fernbleibt, hat naturgemäß Spekulationen hervorgerufen: Ist es doch eine kleine Distanzierung, ein Ausdruck der Frustration darüber, dass Netanjahu immer wieder betont, der Friede mit den VAE habe die geplanten israelischen Annexionen im palästinensischen Westjordanland nicht definitiv gestoppt, sondern nur verzögert?

Und da ist noch die Sache mit den F-35, den modernsten Kampfjets der Welt, die die VAE gerne von den USA kaufen würden – was ihnen wohl auch in Aussicht gestellt wurde. Israel, das auf seinen militärischen Vorsprung schaut, ist das jedoch gar nicht recht.

Lange Vorarbeit

Ein großer Moment wird es trotzdem. Netanjahu hat jahrelang darauf hingearbeitet: Arabische Staaten sind zur Normalisierung der Beziehung mit Israel bereit, obwohl ihre beim Gipfel der Arabischen Liga 2002 festgelegten Bedingungen – ein Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 – nicht erfüllt sind. Es war ein langsamer Annäherungsprozess: Spätestens durch den sogenannten Arabischen Frühling 2011 und seine Folgen entdeckten die arabischen Regime, dass sie innen und von außen mit Gefahren konfrontiert sind, die nichts mit Israel zu tun haben.

Geburtshelfer der israelisch-arabischen strategischen Allianz – denn darauf läuft es hinaus – war ohne Zweifel auch der Iran mit seiner aggressiven regionalen Einflusspolitik, vor allem in Syrien. Und in den allerletzten Jahren kam noch die Türkei dazu, die, von Präsident Tayyip Erdoğan ganz offen deklariert, daran arbeitet, sich im Nahen Osten und Nordafrika strategische Tiefe und in der ganzen islamischen Welt ideologischen Einfluss zu verschaffen.

In Bezug auf Israel ist schon des Längeren nichts weniger als die Entstehung eines arabischen Antinarrativs zur nationalistisch-islamistischen Erzählweise im Gange, dass die Juden – im Koran nachzulesen – die frühen Feinde des Islams und Israel ein westliches koloniales Gebilde im Nahen Osten ist.

Freundlicher Prophet

In einer Predigt etwa betonte Anfang September der Imam der Großen Moschee in Mekka den freundlichen Umgang des Propheten Mohammed mit einem jüdischen Nachbarn. Und dass nicht nur Juden ein Teil des kulturellen Erbes der Region seien, sondern der Staat Israel ein Recht auf Existenz und Sicherheit habe, sagte bereits 2018 der saudische Kronprinz.

Auch der sitzt gewissermaßen am Dienstag in Washington mit am Tisch: Der Einfluss von MbZ auf MbS ist bekannt. Und dass Bahrain nach den VAE ebenfalls den offiziellen Normalisierungsschritt tut, wurde zweifellos in Riad mitentschieden. Der Inselstaat mit seinem sunnitischen Königshaus und einer schiitischen Mehrheitsbevölkerung ist spätestens seit den inneren Unruhen 2011, die als alleinige iranische Machenschaft dargestellt wurden – was so nicht stimmt –, ein politischer Vasall Saudi-Arabiens.

Bahrain hat sich schon als Experimentierfeld zur Verfügung gestellt, als dort vergangenes Jahr der wirtschaftliche Teil von Trumps großem "Deal" für einen israelisch-palästinensischen Frieden vorgestellt wurde. Für Netanjahu – sowie Trump und seinen Schwiegersohn Jared Kushner, der beste Beziehungen zu MbS und MbZ pflegt – bleibt das Ziel Riad: Manama ist nur eine willkommene Zwischenstation.

Für Mohammed bin Salman gibt es durch eine offizielle Annäherung auch persönlich viel zu gewinnen: Am 2. Oktober jährt sich die monströse Ermordung des Publizisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul zum zweiten Mal. Auch wenn der Fall in Saudi-Arabien seit kurzem rechtlich erledigt ist – im Einvernehmen mit der Familie Khashoggis –, macht der Westen MbS weiterhin persönlich dafür verantwortlich.

König Salman beharrlich

Eine Normalisierung mit Israel ist für das Land, in dem sich die heiligsten islamischen Stätten befinden, enorm heikel: Immerhin geht es beim israelisch-palästinensischen Konflikt auch um Jerusalem. Sollte MbS diesen Schritt wagen, täte er sich zumindest in den USA wesentlich leichter, die toxische Vergangenheit abzuschütteln. Zuletzt hat jedoch sein Vater, König Salman, erneut die Position Saudi-Arabiens betont: Der Normalisierung müsste die Schaffung eines Palästinenserstaats vorangehen.

Wobei Israel in Zukunft auch darauf achten müssen wird, eine Schmerzgrenze, was das Schicksal der Palästinenser betrifft, nicht zu überschreiten. Insofern wächst der arabische Einfluss. Andererseits kümmert sich auch Israel nicht um eklatante Menschenrechtsverletzungen bei seinen neuen arabischen Freunden.

Es wird genau beobachtet werden, welche arabischen Staaten ihre in den USA akkreditierten Botschafter zur israelisch-emiratischen Unterzeichnung schicken: Weiters gelten Oman und der Sudan, aber auch Marokko und Tunesien als Normalisierungskandidaten. Katar, ursprünglich ebenfalls auf dieser Liste und immer wieder als Vermittler zwischen Israel und der Hamas tätig, befindet sich dafür zu sehr im türkischen Einflussbereich: Wobei Erdoğan die Emirate zwar als Verräter beschimpft, aber trotzdem eine Botschaft in Israel unterhält. (Gudrun Harrer, 15.9.2020)