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In Italiens Schulen herrscht Maskenpflicht. Nur an den Tischen darf der Gesichtsschutz abgenommen werden.

Foto: AP Photo/Domenico Stinellis

"Heute ist ein wichtiger Tag für die ganze nationale Gemeinschaft, der uns mit Zuversicht und Enthusiasmus erfüllt", erklärte Italiens Premier Giuseppe Conte am Montag. Er wolle nicht verschweigen, dass es noch "kritische Punkte" gebe, sagte der Regierungschef. "Aber ich möchte unterstreichen, dass Italien noch nie so viel in die Schulen investiert hat wie in diesem Jahr.

Auch Bildungsministerin Lucia Azzolina, der in den letzten Wochen mehrfach Improvisation und Dilettantismus vorgeworfen wurden, sprach von einem "komplizierten neuen Schuljahr". Die Regierung habe aber alles dafür getan, dass der Unterricht in Sicherheit stattfinden könne. Selbst Papst Franziskus äußerte sich zum Schulbeginn – und appellierte an das Verantwortungsbewusstsein von Eltern und Schülern.

Gesichtsmasken und Desinfektionsgel

Dem Bildungsministerium zufolge kehrten in zwölf italienischen Regionen 5,6 Millionen italienische Kinder und Jugendliche wieder in ihre Klassen zurück. In den acht übrigen Regionen werden die Schulen erst im Verlauf der laufenden Woche oder Anfang nächster Woche öffnen, vor allem im Süden des Landes.

Um die Ansteckungsgefahr zu vermindern, wurden an die Schulen laut dem Sonderkommissar für die Covid-Epidemie, Domenico Arcuri, 94 Millionen Gesichtsmasken und 400.000 Liter Desinfektionsgel verteilt – "ein titanisches Unterfangen", wie Arcuri betonte. Täglich sollen weitere elf Millionen Masken und 170.000 Liter Gel nachgeliefert werden. Für die Schüler gelten strikte Verhaltensregeln: Außer am Tisch im Klassenzimmer müssen sie immer die Gesichtsmasken tragen, insbesondere auch in den Pausen. Und jeden Morgen müssen die Eltern ihnen die Temperatur messen.

Fehlende Räume und Lehrende

Doch längst sind noch nicht alle Probleme gelöst – obwohl die Regierung mehr als sechs Monate Zeit hatte, sich auf den Tag X vorzubereiten. Oppositionsführer und Lega-Chef Matteo Salvini kritisierte, dass weiterhin 20.000 Schulräume sowie 60.000 Lehrerinnen und Lehrer fehlten. Diese seien nötig, um den durch die Verkleinerung der Klassen erforderlich gewordenen Mehrbedarf an Platz und Personal abzudecken. Der Mangel führte dazu, dass am Montag noch viele Schülerinnen und Schüler in Turnhallen oder anderen Räumen unterrichtet werden mussten – oder dass ihre Schulen gar nicht öffneten.

Die Zeitung "Repubblica" hat ausgerechnet, dass nicht 5,6 Millionen Schüler zum Unterricht erschienen sind, sondern weniger als fünf Millionen. In der Tat listete das Bildungsministerium nur die Sollbestände auf – dass tausende Schulen noch geschlossen waren, blieb unberücksichtigt.

Angst vor Ansteckung

Angesichts der offenen Fragen und ungelösten Probleme befürchten in Italien viele Eltern, dass sich ihre Kinder in der Schule anstecken könnten und das Virus dann in die Familien und insbesondere zu den Großeltern tragen könnten – zumal sich die Zahl der Neuansteckungen in Italien wie in anderen Ländern wieder erhöht hat, wenn auch noch auf verhältnismäßig tiefem Niveau. Franco Locatelli, Präsident des Covid-Wissenschaftskomitees, das die Regierung beträgt, versucht die Sorgen zu zerstreuen. Er räumt aber ein, dass es trotz der Präventionsmaßnahmen auch an den Schulen zu Ansteckungen kommen wird – die entsprechenden Klassen würden umgehend geschossen und die Kinder in Quarantäne geschickt.

Etliche Gesundheitsexperten hatten zu einer Verschiebung des Schulbeginns um eine oder zwei Wochen geraten – doch die Regierung von Giuseppe Conte wollte am Stichtag 14. September unbedingt festhalten. Im Fall einer Verschiebung wäre der Gesichtsverlust – nur eine Woche vor wichtigen Wahlen in sechs Regionen – einfach zu groß gewesen. Noch blamabler wäre es freilich, wenn nun in den nächsten Tagen und Wochen eine Schule nach der anderen wieder schließen müsste, weil die Präventionsmaßnahmen ungenügend greifen. Dieses Szenario schließt Sonderkommissar Arcuri jedoch aus: "Wir öffnen die Schulen nicht, um sie gleich wieder zu schließen." Bloß: In einer Kleinstadt vor den Toren Roms musste eine Schule bereits am ersten Schultag wieder geschlossen werden – ein Schüler war positiv auf das Virus getestet worden. (Dominik Straub aus Rom, 14.9.2020)