Die Regierung bereitet sich derzeit auf eine zweite Welle vor – oder anders gesagt: auf den Fall, dass sie wegen der Pandemie wieder weitreichende Verschärfungen verordnen muss. Konkret hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) einen neuen Entwurf für die Novelle des Epidemiegesetzes, Tuberkulosegesetzes und Covid-19-Maßnahmengesetzes vorgelegt – und damit die rechtliche Grundlage für künftige Corona-Regeln.

Kurz vor Mitternacht übermittelte Anschobers Ressort der Opposition den überarbeiteten Entwurf, der unter anderem Verschärfungen bei einem erneuten Lockdown vorsieht.
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Zu Mitternacht übermittelte Anschobers Ressort der Opposition am Montag den überarbeiteten Entwurf. Die Urversion hatte in der Begutachtungsphase für mehr als 4000 kritische Stellungnahmen gesorgt. Zur Erinnerung: Das Gesetz muss präzisiert werden, weil der Verfassungsgerichtshof im Juli die von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Anschober und Co erlassenen Ausgangsbeschränkungen während des Lockdowns im Frühjahr zum Teil als zu überschießend erachtet hat.

Nicht wirklich behoben

Doch geht es nach Florian Burger, Jurist bei der Arbeiterkammer, ist auch im überarbeiteten Entwurf das Grundproblem weiterhin nicht wirklich behoben: "Die Legistik zu künftigen Ausgangssperren ist weitgehend immer noch so, wie in der Verordnung, die damals gekippt wurde", befindet er. Zwar sei nun festgelegt, dass solch weitreichende Einschränkungen nur im absoluten Notfall verhängt werden dürfen, die generellen grundrechtlichen Bedenken blieben aber unverändert.

Zu Wochenbeginn stand für Anschober mit SPÖ, FPÖ und Neos zwar ein Termin zum Austausch über die von seinem Ministerium anvisierten Betretungsverbote und Ausgangssperren an, sollten die Infektionszahlen wieder in die Höhe schnellen. Doch der Erfolg dieses Meetings gestaltete sich bisher als überschaubar: Blau tauchte erst gar nicht auf, weil: FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sieht in dem Entwurf "gesundheitspolitisches ‚Kriegsrecht‘" festgeschrieben, der "den Raubbau an den Grund- und Freiheitsrechten" fortsetze.

Blockade droht

Die Freiheitlichen drohten bereits damit, mit der SPÖ das neue Gesetz im Bundesrat zu blockieren und damit für einige Wochen zu verzögern. Vonseiten der SPÖ heißt es, dass man den Entwurf nun erst einmal inhaltlich auf Herz und Nieren prüfe, und dann stimme man entweder zu oder nicht – im Nationalrat wie auch im Bundesrat. Im Detail stößt sich Kickl etwa daran, dass sich die Regierung nun auch die Erlaubnis einräume, im Worst Case in Vereinslokalen und nichtöffentlichen Sportstätten "herumzuschnüffeln".

Tatsächlich ist derlei im neuen Gesetzestext samt Erläuterungen angeführt. Ausgenommen sind da im Zuge von Betretungsverboten, die auch ein Verweilen an bestimmten Orten vorsehen, zwar der private Wohnbereich, inklusive Gärten, Keller und Garagen – hier kann Türkis-Grün also keinerlei bundesweite Einschränkungen erlassen. Allerdings: Für Betriebsstätten, Arbeitsorte und Verkehrsmittel sowie an öffentlichen Orten sollen erst recht wieder Zugangsbeschränkungen exekutiert werden können.

Keine Fahrten ins Grüne?

Dazu hatten in der Begutachtungsphase mehrere Seiten etwa moniert, dass mit einem Betretungsverbot von Verkehrsmitteln nun gar private Fahrzeuge erfasst werden könnten. Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker dazu: "Und es sieht so aus, als wäre das noch immer möglich."

Burger bestätigt, dass die Regierung im Fall der Fälle auch die Verwendung von Privatautos verbieten könnte. "Es ist sogar noch viel weitreichender", sagt der Jurist. Auch Betriebsversammlungen könnten im Vorhinein untersagt werden, ebenso Demonstrationen. Insgesamt hält er aber auch fest, dass die Kritik der Experten im neuen Entwurf durchaus Beachtung fand und vieles überarbeitet wurde.

Hausdurchsuchungen befürchtet

Die Neos stoßen sich zudem daran, dass zwar der Minister bei einem erneuten Herunterfahren des öffentlichen Lebens vorher den Hauptausschuss des Nationalrats befassen muss – nicht aber die Landeshauptleute oder die Bezirkshauptmannschaften, wenn diese einen regionalen Lockdown verhängen wollen. Loacker: "Damit entfällt hier jegliche Kontrolle." Und für die kleinste Oppositionspartei ebenfalls höchst bedenklich: Im Zuge von Covid-19-Kontrollen werde den Behörden auch quasi eingeräumt, die Unterlagen von Privatbetrieben zu kontrollieren – "was einer Hausdurchsuchung" gleichkomme.

Der Entwurf ist jetzt bis Freitag in Begutachtung. Am 23. September soll das heiß umfehdete Gesetz im Nationalrat beschlossen werden. Dann wäre es bis Ende 2021 in Kraft. Jörg Leichtfried, roter Vizeklubchef, ärgert sich jedenfalls wieder über die Vorgangsweise der Regierung: "Das Versprechen von Kurz und auch Anschober, das Parlament mehr einzubinden, wurde noch nicht eingelöst." (Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, Nina Weißensteiner, 14.9.2020)