Die Ampel-Kommission erfülle – so wie sie derzeit funktioniere – ihren Zweck nicht mehr, sagt der Public-Health-Experte Martin Sprenger.

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Sprenger hatte die Idee für eine Corona-Ampel schon im März.

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Graz/Wien – Kritik am Umgang mit der Corona-Ampel kommt von dem Public-Health-Experten Martin Sprenger. Anfang April hatten er und das Team des Complexity Science Hub eine mehrfärbige Corona-Ampel als Tool zur Einschätzung des regionalen Corona-Risikos entwickelt.

Sprenger war Mitglied der Corona-Taskforce der Bundesregierung und schied im April auf eigenen Wunsch aus diesem Gremium aus, weil ihm – wie er sagt – ein gesamtgesellschaftlicher Blick auf die Pandemie fehlte und er unter dem Hinweis auf ausgedehnte Kollateralschäden die Notwendigkeit der Fortsetzung einschneidender Lockdown-Maßnahmen in Zweifel zog.

Drängen der politischen Vertreter

Die nunmehrige Ampel folge "weniger medizinischen und epidemiologischen Kriterien, sondern eher rein politischen", sagt Sprenger im STANDARD-Gespräch. Damit erfülle sie aber nicht ihren Zweck. Das zeige sich daran, dass die Ampelkommission Montagabend die ausgedehnten Umfärbungen offenbar auf Drängen der politischen Vertreter in dem Gremium vorgenommen habe.

Die von den Experten ursprünglich geplante transparente und öffentliche Diskussion über die Risikoeinschätzung in größeren, grenzüberschreitenden Stadt-Land-Agglomerationen hingegen habe nicht stattgefunden.

Unruhe in der Kommission

"Ich kenne mehrere Corona-Kommissionsmitglieder. Mich wundert die Unruhe in der Kommission nicht", sagt Sprenger. Er hege Zweifel daran, dass es "die Ampelkommission in der derzeitigen Form und Besetzung noch lange gibt".

Zwar, so Sprenger, könne er zum Beispiel nachvollziehen, warum der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) mit der Orangefärbung der Bundeshauptstadt einverstanden ist – wie dieser Montagabend in der "ZiB2" sagte. Hacker habe nicht unberechtigt Angst vor einer empfindlichen Infektionszunahme in dieser Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt.

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) nimmt Stellung zu den aktuellen Corona-Zahlen in Wien. Er spricht über Folgen einer orangen Corona-Ampel in Wien.
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Doch die Erklärung, nach welchen wissenschaftlichen Kriterien die Orangefärbung vorgenommen wurde, fehle völlig. (Irene Brickner, 15.9.2020)