Der deutsche Naturschutzbund stellt Kreuzfahrtreedereien durch die Bank ein schlechtes Zeugnis aus.

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Die heurige Kreuzfahrtsaison ist aus Sicht der Anbieter zum Vergessen. Die Corona-Krise hat der von Wachstum verwöhnten Branche einen harten Schlag verpasst. Manche wie Tui Cruises legen zwar heuer zaghaft wieder los, andere haben den Neustart aber gleich aufs nächste Jahr verschoben. Aus ökologischer Sicht bietet der Stillstand der Riesendampfer jedoch eine Chance: Die Emissionen sinken, das entlastet die Umwelt.

Dennoch sehen Umweltschützer Handlungsbedarf – denn abgesehen von diesem externen Effekt durch Corona bewertet etwa der deutsche Naturschutzbund (Nabu) die Bemühungen der europäischen Kreuzfahrtgesellschaften für mehr Umweltschutz als ungenügend. Das geht aus einem vor kurzem veröffentlichten einschlägigen Ranking hervor.

Kaum konkrete Strategien

Die Abfrage bei den 18 größten Anbietern auf dem europäischen Markt ergab, dass kaum eine Reederei eine konkrete Strategie hat, den konsequenten Umbau der Flotte in Richtung emissionsfreier Betrieb voranzutreiben. Allenfalls einzelne Unternehmen wie Ponant und Aida hätten die Entwicklung entsprechender Antriebe angefangen und teilweise sogar in Pilotprojekten zum Einsatz gebracht, heißt es im Kreuzfahrtranking des Nabu.

Und weiter: Auch prominente Anbieter aus Deutschland wie Tui Cruises oder Hapag-Lloyd Cruises stellen sich noch nicht im nötigen Maße der Herausforderung des Klimaschutzes, schneiden aber zusammen mit MSC und dem norwegischen Anbieter Hurtigruten deutlich besser ab als der Branchenschnitt. "Klimaschutz in der Kreuzschifffahrt ist derzeit vor allem ein Lippenbekenntnis. Neun von 15 Anbietern bekennen sich zwar auf Nachfrage zu den Pariser Klimazielen. Sie haben aber keine nachvollziehbare Strategie, wie die Ziele erreicht werden können", lässt sich Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller zitieren. Noch mehr hapere es an der Umsetzung. "Der Branche läuft die Zeit davon, wenn sie im Jahr 2050 vollständig emissionsfrei unterwegs sein möchte", sagt Miller.

Defizite in allen Bereichen

Neben der Frage nach der Strategie überprüfte der Nabu Punkte wie Emissionsminderung und die Effizienzsteigerung der Flotte und fragte ab, ob etwa Stickoxidkatalysatoren sowie Rußpartikelfilter eingebaut seien. Nur bei den Katalysatoren schnitt ein Unternehmen gut ab: der französische Luxusanbieter Ponant, der auch insgesamt Rang eins belegte.

Die vier größten Kreuzfahrtschiffe der Welt halten da nicht mit. Sie gehören alle zu Royal Caribbean, einer US-Reederei, die gemeinsam mit dem Tui-Konzern auch Tui Cruises besitzt. Der Nabu fand bei den Royal-Caribbean-Schiffen in allen Bereichen Defizite.

Mit Blick auf die durch das Coronavirus bedingte Krise der Branche warnten die Umweltschützer davor, bereits in Aussicht gestellte Investitionen in den Klimaschutz zurückzunehmen. Die bislang erfolgsverwöhnte Branche solle die Zwangspause lieber nutzen, um sich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, wie die Kreuzfahrt eine Zukunft haben kann.

Emissionsfreie Schiffe ab 2030

Ansätze, wie es besser gehen soll, lieferten die Umweltschützer gleich mit. Bis 2023 müsse der "Abschied vom giftigen Schweröl" besiegelt sein. In der aktuellen Auswertung verzichteten nur Hapag-Lloyd Cruises aus Hamburg und zwei weitere auf Schweröl. Außerdem fordert der Nabu bis 2023 von jedem Unternehmen eine klare Klimastrategie und die Nutzung von Landstrom. Landstrom bezeichnet die Energieversorgung der Schiffe während der Liegezeiten im Hafen. Sie ist umweltfreundlicher als der Einsatz von Dieselgeneratoren. Bis 2030 müsste das erste emissionsfreie Schiff in Betrieb gehen und ein Standard von null Emissionen für alle neu gebauten Ozeanriesen gelten, heißt es in dem Vorschlag des Vereins.

Auch die Politik müsse eingreifen, Umwelt- und Klimaschutzauflagen sollten zur Voraussetzung für staatliche Hilfen werden. Erfreulicherweise, meinen die Umweltschützer, nehmen auf europäischer Ebene Regulierungen Gestalt an, die die Schifffahrt in den Emissionshandel einbeziehen und die Steuerbefreiung mariner Kraftstoffe beenden. Der Druck auf die Anbieter wird größer. Zu lange habe man es der Industrie selbst überlassen zu entscheiden, ob und welchen Beitrag zum Klimaschutz sie leisten möchte – mit bekanntem Ergebnis. (red, 16.9.2020)