Der EuGH-Entscheid dürfte zahlreiche Tarifänderungen nach sich ziehen.

Foto: Imago

Handytarife, bei denen bestimmte Dienste, etwa für Musikstreaming, nicht auf das Datenvolumen des Kunden angerechnet werden, verstoßen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen EU-Recht.

Die Anbieter dürften bestimmte Anwendungen nicht bevorzugt behandeln, die Nutzung der übrigen Dienste nach Verbrauch des Datenvolumens hingegen blockieren oder verlangsamen, befanden die Luxemburger Richter am Dienstag (Rechtssachen C-807/18 und C-39/19). Dies verstoße gegen den Grundsatz der Netzneutralität, wonach alle Daten im Internet diskriminierungsfrei gleich behandelt werden müssen.

Bricht das Neutralitätsgebot

Hintergrund ist ein Fall in Ungarn, ähnliche Tarife wurden beziehungsweise werden aber auch in Deutschland und Österreich angeboten. Verbraucherschützer hatten dies bereits kritisiert. Konkret geht es um Tarife mit einem begrenzten Internetdatenvolumen. Ist dieses Volumen verbraucht, wird der weitere Datenverkehr verlangsamt oder blockiert. Der Datenverkehr bestimmter Dienste wie Video- oder Musikstreaming-Apps wird nicht auf das Volumen angerechnet und ist auch nicht von der Verlangsamung betroffen.

Die Richter argumentierten nun, dass solche Tarife die Rechte der Nutzer erheblich einschränken könnten. Sie könnten unter anderem dazu beitragen, dass die Nutzung der bevorzugt behandelten Anwendungen erhöht und der anderen Anwendungen verringert werde.

Reaktionen aus Österreich: A1

Auch österreichische Provider sind potenziell betroffen. Gegenüber dem STANDARD hat sich A1 zuerst gemeldet. Nach einem "ersten Blick" auf das Urteil ist man der Ansicht, dass das eigene Free-Stream-Angebot nicht vom EuGH-Spruch betroffen ist. Denn dieser beziehe sich nur auf Anwendungen, die auch nach Verbrauch des Datenvolumens weiter uneingeschränkt zugänglich sind.

Dies sei allerdings nicht der Fall. Zwar werde die Verwendung von Netflix, Amazon Prime, Spotify und anderen inkludierten Diensten nicht vom Datenvolumen abgezogen, das gelte aber nur, solange der Nutzer noch über Datenvolumen verfügt. Ist dieses aufgebraucht, so erlischt auch der Free-Stream-Zugang. Daher sieht man keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot und verweist weiter auf den Telekomregulator RTR, der den Tarif für netzneutralitätskonform befunden hat.

Magenta

Der Netzanbieter Magenta richtete aus, dass man aktuell keine Tarife führe, die von dem Urteil betroffen wären. Das betreffe sowohl das aktuelle Angebot mit dem Musikstreamingdienst Deezer als auch Alttarife. Bei neuen Angeboten stelle man vorab sicher, dass diese "den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen" entsprechen.

"3"

Mit etwas Verzögerung hat sich schließlich auch "3" zum Urteil geäußert. Man betont, dass das Urteil sich explizit auf die Praxis eines ungarischen Betreibers bezieht, nur bestimmte Services vom Datenvolumen auszunehmen, und Zero Rating nicht generell verboten sei. Da das Zero Rating-Programm von "3" aber prinzipiell "allen Content-Anbietern offen" sethe, sieht man sich von dem Spruch ebenfalls als nicht betroffen an. (APA, gpi, 15.9.2020)

Update, 16.09., 10:00 Uhr: Reaktion von "3" ergänzt.