Zweck der Corona-Ampel ist, die Bevölkerung symbolisch zur Vorsicht zu mahnen. Transparenz und Information brachte sie jedenfalls nicht, kritisiert der Gesundheitsökonom Ernest G. Pichlbauer im Gastkommentar.

Der Corona-Ampel wurde das typische Schicksal aller Ziele und Maßnahmen in dieser Pandemie zuteil. Ziele, an denen sich Maßnahmen orientieren, werden zum Politikum – sie werden nach Gusto und Laune, oder besser nach Meinungsumfragen, "adaptiert". So führen Maßnahmen aber nur zufällig zum Ziel. Aus populistischer Sicht mag das taktisch klug sein, strategisch, im Hinblick auf die Pandemie, jedoch ist es dumm und destruktiv.

Symbolische Maßnahmen

Was war das Ziel am Anfang der Pandemie? Keine Überlastung des Gesundheitssystems. Doch sehr schnell ging es plötzlich darum, Infektionen um jeden Preis zu verhindern. Und der Preis ist hoch, wenn wir die Kollateralschäden betrachten.

Oder die Wiedereinführung der Maskenpflicht in Supermärkten. Umgesetzt, weil eine Meinungsumfrage ergab, dass sich die Mehrheit, dank fehlender Aufklärung, irrationalerweise vor Ansteckung dort fürchtet. Gebracht hat es nichts, weil eben Supermärkte kein Ort für Risikoverhalten sind. Wäre ich ein populistischer Sophist, müsste ich wohl sogar behaupten, dass diese Maskenpflicht erst zur zweiten Welle geführt hat. Und das stimmt vielleicht sogar. Denn statt aufzuklären und zu informieren, welches Verhalten gefährlich ist, kam die Maske als Symbol, um uns daran zu erinnern, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist. Ja, Symbolpolitik und Inszenierung statt Transparenz und Aufklärung. Dass jede Maßnahme Nebenwirkungen hat, wird ignoriert, und eine dieser Nebenwirkungen könnte gewesen sein, dass viele dieses Symbol als Provokation empfunden haben und so der Widerstandsgeist gewachsen ist.

Kein Lerneffekt

Das Gleiche jetzt bei der Corona-Ampel. Ziel war es, die Bevölkerung über die Gefahrenlage zu informieren und zu lernen, was in grünen Bezirken richtig, was in roten falsch läuft. Und so – dezentral – das Risikoverhalten zu verändern. Und was wurde daraus? Eine monatelange Diskussion im Geheimen mit einem mehr als absurden Kompromiss.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei der Präsentation der Ampel Anfang September.
Foto: APA / Hans Punz

Und der war von Anfang an faul: ein kleiner Kreis politisch handverlesener Experten soll hinter verschlossenen Türen Daten, die nicht öffentlich sind, gewichten und daraus Farben ableiten, die dann überall zu gleichen Maßnahmen führen sollten. Keine dezentrale Lernkurve, sondern ein politisches "Schwarzer-Peter-Spiel". Kaum war die Ampel aktiv, wurde das auch klar. Wien etwa hat sich beschwert, dass offenbar nur "rote" Städte gelb eingefärbt wurden, während "schwarze", ja sogar "blaue" Städte, die viel schlechtere Daten gehabt hätten, grün blieben. Es ist übrigens dasselbe Wien, das nur wenige Tage später auf Orange gestellt werden sollte und darüber glücklich ist.

Lange keine Fakten

Amüsantes Detail: Obwohl seit Montagfrüh alle darüber reden, welche Bezirke nun orange werden sollen und wer aller dafür oder dagegen ist – auf der offiziellen Homepage des Gesundheitsministeriums wurde die Karte bis Dienstagnachmittag nicht aktualisiert. Warum auch, es geht ja nicht um Fakten, sondern um Symbole.

Das ist ja dann auch schön daran zu erkennen, dass keinerlei Konsequenzen aus der Farbumstellung gezogen werden. Was dereinst für jede Farbe geplant und fein säuberlich aufgeschrieben war, wurde einfach von der Homepage des Ministeriums gelöscht – und ist nicht mehr zu finden. Warum auch? Schließlich ist die Ampel ein konsequenzloses Symbol, damit wir alle wieder vorsichtiger sind! Deswegen auch die breite politische Zustimmung. Und wie gut Symbole wirken, hat ja schon die Maskenpflicht im Juli gezeigt – also weiter so! (Ernest G. Pichlbauer, 15.9.2020)