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Noch hausen die Menschen, die aus dem Lager Moria auf Lesbos flüchten mussten, auf der Straße.

Foto: Reuters/Konstanidis

Große Erleichterung bei den Grünen: Über den angekündigten Antrag der Neos, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, Flüchtlinge aus dem abgebrannten Camp Moria auf Lesbos aufzunehmen, wurde am Montag in der Sondersitzung des Nationalrats gar nicht abgestimmt. Die Grünen hatten angekündigt, diesen Antrag, der zwar politisch zu hundert Prozent auf ihrer Linie liegt, nicht zu unterstützen, weil sie die Koalition mit der ÖVP nicht infrage stellen wollten. Zudem hätte der Antrag mit Stimmen der Neos, der SPÖ und der Grünen ohnedies keine Mehrheit gefunden, einer der FPÖ mit den Stimmen der ÖVP dann im Gegenzug aber sehr wohl.

Die Grünen gerieten jedenfalls gewaltig in Erklärungsnotstand, wurden in den sozialen Netzwerken für ihr Verhalten auch bereits ordentlich geprügelt – dabei kam der pinke Antrag gar nicht zur Abstimmung, sondern wurde aus Gründen der Geschäftsordnung einem Ausschuss zugewiesen. Dort wird irgendwann einmal darüber diskutiert, ein Begräbnis zweiter Klasse, wie man so sagt.

Grüne Botschaften

Zuvor konnte man gut mitverfolgen, wie die Message-Control auch bei den Grünen um sich greift: Viele Abgeordnete argumentierten in ihren Netzwerken, auf Facebook und Twitter, warum sie dem Antrag der Neos nicht zustimmen würden, allesamt in sehr ähnlicher Wortwahl und mit immer gleicher Argumentation. Das sei letztlich auch nur Symbolpolitik, es gebe keine Mehrheit, man könne die Koalition mit der ÖVP nicht gefährden, weil dann alles nur noch schlimmer würde. Und man werde sich beim Koalitionspartner weiter dafür einsetzen, Kinder aus Moria in Österreich aufzunehmen.

Während der Neos-Antrag als sogenannter "selbstständiger Antrag" an den Ausschuss weitergereicht wurde, wurde über den Antrag der FPÖ sehr wohl im Plenum abgestimmt. Die Regierung wurde aufgefordert, keinerlei "Moria-Migranten" aufzunehmen. Da die Grünen gelobt hatten, keinen Koalitionsbruch zu riskieren, blieb auch die ÖVP treu und stimmte dem FPÖ-Antrag nicht zu, obwohl der genau ihre Linie wiedergab.

ÖVP-Chef und Bundeskanzler Sebastian Kurz lässt die Kritik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an sich abperlen. Österreich entscheide souverän, erklärte er am Dienstag. "Wir werden dem deutschen Weg hier nicht folgen", sagte Kurz. "Ich gehe auch davon aus, dass sehr viele europäische Länder diesem Weg – Flüchtlinge in großer Zahl aus Griechenland aufnehmen – nicht folgen werden. Wir hier in Österreich haben in den letzten Jahren eine sehr, sehr hohe Zahl an Flüchtlingen aufgenommen." Am Dienstag kritisierte ihn auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Er sei enttäuscht von der Regierung in Wien, dass sie ihre starre Grundhaltung nicht zugunsten von "etwas mehr Herzlichkeit" aufgebe, sagte Söder in München.

Was der ÖVP in der öffentlichen Debatte zugutekommen könnte: In Griechenland wurden mittlerweile fünf mutmaßliche Brandstifter ausgeforscht, die für das Feuer im Flüchtlingslager Moria verantwortlich sein sollen.

Brandstifter festgenommen

Alle fünf Festgenommenen sind angeblich Afghanen, von denen zwei unbegleitete Minderjährige sind. Einer dieser beiden Minderjährigen wurde am Tag nach der Brandstiftung nach Nordgriechenland ausgeflogen. Die ÖVP hatte mehrfach darauf hingewiesen, man wolle keine gewaltbereiten Migranten aufnehmen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer (CSU) haben sich darauf geeinigt, 1.500 Personen von den griechischen Inseln aufzunehmen – auf Druck von Opposition, Kirchen, UNHCR, aber auch aus den eigenen Reihen. Es soll sich um Familien handeln, die in Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden. (Michael Völker, Birgit Baumann, Adelheid Wölfl, 16.9.2020)