Es muss nicht immer Windows oder Mac OS sein: Wer ein Desktop-Betriebssystem sucht, der findet in der Linux-Welt heutzutage eine ziemlich breite Auswahl. Der meistgenutzte Desktop kommt dabei vom Gnome-Projekt, was nicht zuletzt daran liegt, dass er bei populären Distributionen wie Ubuntu oder Fedora vorinstalliert ist. Die Entwicklung hält sich dabei an einen fixen halbjährlichen Zyklus, und das führt dazu, dass es nun wieder eine neue Softwareversion gibt.

Gnome 3.38.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Update

Gnome 3.38 zeichnet sich zunächst einmal durch viele Detailverbesserungen an den Kernkomponenten des Desktops selbst aus – also der Gnome Shell. So ist es nun möglich, die Liste der installierten Anwendungen nach Belieben via Drag & Drop umzusortieren. Auch verwendet diese Übersicht nun ein fixes Raster von sechs mal vier Programm-Icons. Die Idee dahinter ist, dass die Nutzer sich die Position fix merken können – unabhängig von der Bildschirmauflösung, die sie gerade verwenden. Ein solch fixes Raster gibt es auch für Unterordner, die Wahl von drei mal drei Icons wirkt auf größeren Bildschirmen aber etwas gar klein. Per Mausrad oder die Anwahl des betreffenden Icons kann auf die restlichen Programme gewechselt werden – vorausgesetzt, es finden sich im Unterordner mehr davon, als auf einer Seite Platz haben. Gestrichen wurde hingegen die Ansicht mit den am häufigsten genutzten Anwendungen.

Im Verlauf der vergangenen Releases hat Gnome einige bisher versteckte Einstellungen oder auch Dinge, für die zuvor Erweiterungen notwendig waren, fix in den Desktop integriert. In Gnome 3.38 neu ist in dieser Hinsicht eine Option, den Akkustand als Prozentwert im Panel darzustellen. Überarbeitet wurde zudem das Systemmenü, es gibt nun also getrennte Einträge für "Reboot" und "Shutdown", um diese schneller erreichen zu können.

Programmeinträge können jetzt frei sortiert werden, das App-Grid hat hingegen nun eine fixe Größe.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Flotter

Auch bei der technischen Basis der Gnome Shell hat sich wieder einiges getan. Wie schon in den vergangenen Releases sind wieder zahlreiche Performance-Optimierungen eingeflossen – auch in den zugrundeliegenden Fenstermanager Mutter. Besonders interessant ist dabei, dass nun – endlich – bei Fullscreen-Anwendungen auch unter dem X11-Nachfolger Wayland der Desktop Compositor umgangen wird, womit der dadurch entstehende Overhead entfällt.

So ähnlich sich alle Desktop-Systeme im Kern sein mögen, gerade Gnome geht hier in einigen Punkten doch eigene Wege. Insofern ist eine weitere Neuerung von Gnome 3.38 äußerst begrüßenswert: Eine neue, "Gnome Tour" genannte Anwendung führt beim ersten Login in die Konzepte des Desktops ein. Ein technisches Detail am Rande: Diese ist übrigens komplett in Mozillas Programmiersprache Rust geschrieben, die derzeit allerorten viel Interesse auf sich zieht – und soll künftig etwa auch bei Systemkomponenten von Android zum Einsatz kommen.

Beim ersten Login gibt es eine Einführung in den neuen Desktop und dessen Konzepte.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Kindersicherung

In den Nutzereinstellungen gibt es nun neue Optionen zur Kindersicherung: Eltern können auf einem Multi-User-System also festlegen, welche der installierten Programme vom Nachwuchs installiert oder genutzt werden können. Auch Beschränkungen für den Browser lassen sich einrichten. Neu gestaltet wurde die grafische Oberfläche zum Einrichten der Fingerabdruckerkennung. Ebenfalls sehr nett ist, dass nach dem Einrichten eines WLAN-Hotspots nun gleich ein QR-Code angeboten wird, mit dem das Passwort schnell mit Smartphones geteilt werden kann.

Eine ganze Reihe von Verbesserungen gibt es für den Gnome-eigenen Browser Web – früher einmal als Epiphany firmierend. Es können jetzt Passwörter direkt aus Google Chrome importiert werden, zudem wurde ein Tracking-Schutz aufgenommen. Des Weiteren werden Videos mit Ton nun nicht mehr von Haus aus abgespielt, die Nutzer können für einzelne Websites aber Ausnahmen für die Autoplay-Blockade definieren. Die Einstellungen sowie der Verlauf des Browsers wurden ebenfalls neu gestaltet.

Die Einrichtung von Fingerabdrücken zur Autorisierung wurde neu gestaltet.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Gnome OS

Mit Boxes beinhaltet Gnome eine eigene, bewusst einfach gehaltene Virtualisierungslösung. Das macht die Nutzung sehr simpel, manchmal braucht es aber dann doch Zugriff auf Detaileinstellungen. Dies ermöglicht die neueste Softwareversion nun mit einem integrierten Editor für die zugehörigen Libvirt-XML-Dateien. Ebenfalls neu ist die Integration von "Gnome OS". Dabei handelt es sich allerdings nicht um den Versuch der Gnome-Entwickler, andere Distributionen abzulösen, vielmehr sollen auf diesem Weg – also über Boxes – laufend aktualisierte Snapshots neuer Gnome-Versionen zum Testen bereitgestellt werden.

Einiges Neues gibt es bei der Kartenanwendung Maps, die nun einen Nachtmodus aufweist, also manuell auf eine dunkle Darstellung umgestellt werden kann. Zudem wurden einige Optimierungen für die Nutzung des Programms auf Smartphones vorgenommen. Dahinter steht die Zusammenarbeit von Gnome mit dem Hardwarehersteller Purism, der den freien Desktop als Basis für die Software seiner Smartphones verwendet.

Gnome OS kann direkt über Boxes 3.38 in einer virtuellen Maschine installiert werden – ist aber nur als Testsystem zum Ausprobieren gedacht.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Neues Design

Zwei der klassischen Desktop-Anwendung wurden komplett redesignt: Sowohl der Sound-Recorder als auch das Screenshot-Tool können nun also mit einer neuen Oberfläche aufwarten. Bei der Uhrenanwendung können wiederum Snooze- und Alarm-Dauer jetzt frei definiert werden. Die Games-Anwendung wurde schneller gemacht, auch gibt es jetzt "Collections", in denen die Nutzer die Spiele organisieren können. Der Fokus liegt bei Gnome Games schon länger auf der Unterstützung von Emulatoren, neu ist dabei jetzt der Support für Nintendo-64-Spiele.

Unter die vermischten Neuerungen fallen zahlreiche überarbeitete Anwendungs-Icons, auch das Default-Farbschema im Terminal wurde überarbeitet, um einen besseren Kontrast zu bieten. Neu ist zudem ein Schutz vor bösartigen USB-Geräten, wenn der Bildschirm gesperrt ist. Der integrierte Screen-Recorder wurde wiederum auf Basis von Pipewire neu geschrieben, was vor allem eine deutlich gesteigerte Performance verspricht – auch wenn davon vorerst nur Systeme mit Intel-Grafik profitieren. Im Hintergrund wurden alle Kernanwendungen auf Tracker 3, die neue Generation der Desktop-Suche, aktualisiert, die nun ein verteiltes Datenbankmodell verwendet.

Sowohl der Sound-Recorder als auch das Screenshot-Tool wurden neu gestaltet.
Grafik: GNOME

Download

Gnome 3.38 steht in Form des Quellcodes der einzelnen Anwendungen zum Download. Die neue Version sollte aber auch bald Einzug in die Entwicklungsversionen diverser Linux-Distributionen finden. Zudem sind einige der zentralen Anwendungen bereits als Flatpak via Flathub zu haben, viele weitere sollten in den kommenden Tagen folgen. (Andreas Proschofsky, 16.9.2020)

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