Eigenblutdoping war die vermutliche Grundlage des Regimen von Mark S.

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München – In blauem Hemd, beiger Hose und mit dem obligatorischen Mundschutz betrat Mark S. den Sitzungssaal. Die Hände in den Taschen verborgen, ließ der mutmaßliche Hintermann das Blitzlichtgewitter beim Prozessauftakt eines der größten Dopingskandale über sich ergehen.

Mehr als eineinhalb Jahre nach den spektakulären Razzien der Operation Aderlass begann am Mittwoch die mit Spannung erwartete gerichtliche Aufarbeitung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München II. Doch am ersten Tag verzichtete Mark S. zunächst auf eine Aussage – allerdings stellten die Verteidiger dies für den weiteren Prozessverlauf in Aussicht. Mit S. sind vier weitere Personen angeklagt.

Bandenmäßiges Doping

"Wir legen diesem Sportarzt und seinen Helfern gewerbsmäßiges und bandenmäßiges Anwenden von Dopingmitteln zu Last", sagte Oberstaatsanwältin Anne Leiding: "Wenn es sich so bewahrheitet, dann rechnen wir bei dem Haupttäter schon mit einer mehrjährigen Haftstrafe. Bei den jeweiligen Helfern wird es sehr auf den einzelnen Tatbeitrag ankommen."

Die Staatsanwaltschaft geht von einer "guten" Beweislage aus. Angesetzt sind insgesamt 26 Verhandlungstage, rund zwei Dutzend Zeugen wurden geladen, ein Urteil könnte noch vor Weihnachten fallen. Sportler sind nicht angeklagt, da es vor Einführung des Anti-Doping-Gesetzes 2015 nicht strafbar war, die Dopingmethoden anzuwenden.

Anklageschrift mangelhaft

Bisher bekannt ist die Verwicklung von 23 Sportlern aus acht Ländern, vor allem aus dem Winter- und Radsport. Betroffen sind namhafte Sportveranstaltungen, unter anderem mehrere Olympische Spiele. "Es kann schon sein, dass im Laufe des Prozesses durch Angaben von Zeugen oder auch ausführlichere Einlassungen der Angeklagten auch für uns noch Neuigkeiten bekannt werden", sagte Leiding.

Zu Beginn musste die Verteidigung einen Rückschlag hinnehmen. Ein Antrag gegen die Verlesung der Anklageschrift wurde von der Vorsitzenden Richterin Marion Tischler abgewiesen. Die Verteidigung hatte Mängel in der Anklageschrift moniert, einen Verstoß gegen das Gebot einer fairen Verhandlungsführung und eine mögliche mediale Vorverurteilung beklagt. Die Staatsanwaltschaft habe auch nicht strafrechtlich relevante Sachverhalte mitaufgenommen. Dieser Sicht schloss sich das Gericht allerdings nicht an.

Nach der mehr als eineinhalbstündigen Anklageverlesung, die der Hauptangeklagte ohne größere Regung verfolgte, erklärte seine Verteidigung, dass es "zum jetzigen Zeitpunkt" keine Einlassung geben werde.

Razzien nach Dürr-Geständnis

Neben diesem speziellen Fall hat das Verfahren aber auch noch weitreichendere Bedeutung – es ist der erste größere Dopingstrafprozess nach den neuen gesetzlichen Regelungen. "Es ist jetzt wichtig zu sehen, wie die strafrechtlichen Mechanismen greifen", hatte Lars Mortsiefer, Vorstand der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), vor dem Prozess erklärt und von einer "Signalwirkung" gesprochen.

Ausgelöst worden war der Fall durch den Kronzeugen Johannes Dürr. Der österreichische Langläufer hatte Anfang 2019 über seine Dopingpraktiken ausgepackt. Während der nordischen Ski-WM in Seefeld war es dann Ende Februar 2019 zu den Razzien gekommen, bei denen auch Mark S. in Erfurt festgenommen wurde. Dürr wurde inzwischen zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und lebenslang gesperrt. (sid, 16.9.2020)