Schweizer Neurowissenschafter haben eine Region in der Großhirnrinde identifiziert, die offenbar eine Rolle für die flexible Anpassung an neue Umstände spielt. Das Team um Fritjof Helmchen von der Universität Zürich berichtet im Fachjournal "Nature" über seine Erkenntnisse, die es in Versuchen mit Mäusen gewann. Vergleichbare Prozesse könnten sich auch im menschlichen Gehirn abspielen, so die Forscher.

Das Experiment

Um Mäuse zum Umlernen zu bringen, trainierten sie die Tiere darin, nach einer Berührung der Tasthaare mit grobkörnigem Sandpapier zu schlecken – was zu einer Belohnung mit Zuckerwasser führte. Bei Berührung mit feinkörnigem Sandpapier hingegen durften sie nicht schlecken, sonst löste dies ein unangenehmes Geräusch aus. Nachdem die Mäuse dies verstanden hatten, wurde der Spieß umgedreht: Nun gab es die Belohnung bei feinkörnigem und nicht bei grobkörnigem Sandpapier. Dieses neue, gegenteilige Verhaltensmuster erlernten die Mäuse bemerkenswert schnell.

Während des Versuchs analysierten die Neurowissenschafter die Funktion einzelner Nervenzellen in den beteiligten Hirnarealen. Eine Gruppe von Zellen im orbitofrontalen Kortex, der sich bei Menschen in der Großhirnrinde direkt über der Augenhöhle befindet, erwiesen sich dabei als besonders aktiv. Und tatsächlich: Als die Forscher die betreffenden Hirnzellen des orbitofrontalen Kortex gezielt ausschalteten, funktionierte das Umlernen nicht mehr.

Mäuse als Modell für den Menschen

Die Forscher sind überzeugt, dass sich aus dem Versuch Erkenntnisse ableiten lassen, die auch für die Humanmedizin relevant sein könnten. "Unsere Forschungsergebnisse tragen etwa zum besseren Verständnis von Hirnkrankheiten bei, bei denen diese Flexibilität gestört ist, wie beispielsweise bei Formen von Autismus und Schizophrenie", sagt Helmchen. (APA, red, 18. 9. 2020)