Natürlich hätte Dominic Thiem, der am Sonntag die US Open gewann, auch die Wahl zum Sportler des Jahres 2020 verdient. David Alaba wäre wohl sein größter Rivale.
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Wie kommen die anderen dazu, jene, deren Bewerbe Corona-bedingt abgesagt worden sind? Diese Frage hat bis vor kurzem dominiert, wenn beredet wurde, ob hierzulande Sportler des Jahres 2020 gewählt werden sollen. Und deshalb sah es ganz danach aus, als würde die seit 1949 abgehaltene Wahl zum ersten Mal ausfallen. Bis vor kurzem, wie gesagt. Denn vor kurzem, am Sonntag, hat Dominic Thiem die US Open im Tennis gewonnen. Und nun darf man (sich) schon auch fragen: Wie käme Thiem dazu, dass die Sportlerwahl just heuer gecancelt wird?

Klar war stets, dass es im November einen ORF-Hauptabend geben wird, der dem Sport gewidmet ist. Darauf haben sich der ORF in Person von Sportchef Hans Peter Trost und die Sporthilfe längst verständigt. Die Sporthilfe tritt als Veranstalterin jener Gala auf, in deren Rahmen der Sportler und die Sportlerin sowie seit 1990 die Mannschaft und seit 2001 die Behinderten- und Special-Olympics-Sportler des Jahres ausgezeichnet werden.

Ein alternatives Konzept

Heuer musste und muss die Sporthilfe mit Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess an der Spitze vom Ausfall der Sportlerwahl und auch davon ausgehen, dass die Gala nicht in gewohnter Form stattfinden kann. Ein alternatives Konzept war bereits in Ausarbeitung. Geplant war, wie Sporthilfe-Geschäftsführer Gernot Uhlir sagt, "ein schöner Abend", an dem man die Bedeutung des Sports unterstreichen, Fans und Freiwilligen danken und Talente ins Rampenlicht stellen wollte. Als Termin des Events stand der 12. November schon so gut wie fest.

Nun ist alles ins Wackeln geraten. Die Sporthilfe hat, sagt Uhlir, keinen Einfluss auf die Entscheidung, ob gekürt wird oder nicht. Diese Entscheidung wird vom Vorstand der heimischen Sportjournalistenvereinigung Sports Media Austria getroffen, deren Mitglieder auch die Sportler des Jahres wählen. ORF-Sportchef Trost steht auch Sports Media Austria vor, dem STANDARD sagt er, dass man die Situation analysiere und noch im September entscheiden werde.

Klar ist, dass es in allen Kategorien weniger Kandidaten und Kandidatinnen geben würde als sonst. Klar ist aber auch, dass den Sieg verdienen würde, wer auch immer ihn davonträgt. Bei den Männern ist Thiem nicht der Einzige, der heuer sehr erfolgreich war. Stefan Kraft wurde Gesamtweltcupsieger im Skispringen. Und da David Alaba das Triple aus Champions League, deutschem Meistertitel und Pokal geholt hat, ist angesichts der Fußballlastigkeit der heimischen Sportjournaille vielleicht nicht einmal völlig fix, dass Thiem reüssieren würde.

Die Siebenkämpferin Ivona Dadic käme infrage, so gewählt wird.
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Als Alaba überraschte

Man denke nur zurück ans Jahr 2014. Da landete Alaba in der Sportlerwahl seinen zweiten Erfolg en suite, obwohl er nicht wie 2013 das Triple, sondern "nur" das Double geholt hatte. Der ÖSV war überrascht bis empört, weil Marcel Hirscher auf den zweiten seiner letztlich sechs Sportlerwahlsiege noch ein Jahr warten musste.

So denn gewählt wird, kommt als Mannschaft des Jahres natürlich Fußballmeister Red Bull Salzburg in Frage. Oder auch das bei der Heim-EM achtplatzierte Handball-Nationalteam. Ivona Dadic wäre als Sportlerin des Jahres keine große Überraschung, die Siebenkämpferin fixierte heuer einen Stundenweltrekord und Jahresweltbestleistung. Die ORF-Sendung müsste ein anderes Konzept bekommen und verschoben werden. Schließlich ist davon auszugehen, dass Thiem am 12. November bereits in London weilt, wo das ATP-Finale steigt. Als neuer Termin der Ehrung käme der 26. November infrage.

Soll man aus Fairnessgründen auf die Wahl verzichten? Oder soll man jene würdigen, die sehr wohl tolle Leistungen erbrachten? Da und dort hört man, dass "ein positives Zeichen" gesetzt werden soll. Das würde bedeuten, dass Thiem ein weiterer großer Titel winkt. (Fritz Neumann, 17.9.2020)