Sans Souci – größer könnte die Diskrepanz zwischen dem Namen der Luxusherberge nahe dem innerstädtischen Besuchermagnet Museumsquartier in Wien und der Gemütsverfassung ihrer Direktorin kaum sein. Sorgenfrei ist Andrea Fuchs seit geraumer Zeit nicht mehr. Dabei habe sich die Stimmung schon aufgehellt, seit man Ende Mai wieder aufsperren durfte, seufzt Fuchs.

Im Juni, im Juli, auch im August wurde jeder Monat ein bisschen besser, was die Buchungen betrifft. Die Auslastung lag zuletzt bei rund 28 Prozent. In normalen Zeiten ein Wahnsinn, aber jetzt sei eben nichts normal. "Wir sind die Einäugigen unter den Blinden", formuliert es die Managerin mit Blick auf die Konkurrenz. Der geht es zum Teil viel schlechter. Die Auslastung jener Wiener Hotelbetriebe die aufgesperrt haben, liegt zwischen zehn und 30 Prozent. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Die Hälfte der rund 400 Beherbergungsbetriebe hat sich das gar nicht angetan. Fuchs gehörte zu den Optimisten. Doch jetzt hat sich der Gemütszustand wieder empfindlich eingetrübt – nachdem die Schweiz Wien auf die "rote Liste" gesetzt und als Corona-Risikogebiet deklariert hat und Deutschland und Belgien dem Beispiel folgen. "Die Lage will und will sich nicht entspannen", sagt Fuchs.

An Ideen mangelt es nicht. In diesem Hof wird für die Gäste des Wiener Zeitgeist-Hotels musiziert. Fensterkonzerte nennt sich das.
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Bisher kämen die Besucher vor allem aus Deutschland, Österreich und davor eben aus der Schweiz. Man hatte gar nicht so wenige Firmenveranstaltungen. Kamen zuletzt immer ein paar Buchungen mehr dazu, verläuft es jetzt in die Gegenrichtung, so Fuchs. Was vorsichtig wieder aufzukeimen schien, ist mit der errötenden Ampelfarbe wieder perdu. Es wird wieder storniert – soeben ein zweitägiger Verkaufsevent. Fuchs musste sich schon vor Beginn der Kurzarbeit von 33 Mitarbeitern trennen. Wie es nun weitergeht? "Im Oktober werden wir jetzt einmal beobachten", sagt Fuchs.

Besserung sei so schnell nicht in Sicht, ganz im Gegenteil, fürchtet Doris Litschauer von der für Fremdenverkehr zuständigen AMS-Geschäftsstelle Hietzing in Wien. Viele Betriebe würden ihr Möglichstes versuchen, Kurzarbeit nutzen, soweit es geht. "Aber jetzt müssen mehr und mehr Unternehmen die Reißleine ziehen", so Litschauer. Die Lage ist bei vielen höchst angespannt: Im ersten Halbjahr erwirtschafteten sie dank der positiv bilanzierenden Monate Jänner und Februar um fast 70 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Jetzt dürfte sich die Lage zuspitzen.

Viele würden beim AMS vorstellig, um vorzufühlen, wie es rechtlich möglich sei, sich von Mitarbeitern zu trennen. Das Hotel Sacher, das 140 Beschäftigte abbaut, ist erst der Anfang. Vor allem die großen Ringstraßenhotels würden vermehrt mit dem AMS in Sachen Frühwarnsystem in Kontakt treten, so Litschauer. Im August verzeichnet das AMS in Wien 19.412 Vorgemerkte aus Gastronomie und Hotellerie, 2745 davon aus Beherbergung und 16.667 aus Gastrobetrieben. Die Zahl ist im Vergleich zum August des Vorjahres um knapp 70 Prozent in die Höhe geschnellt. Dabei hat sich schon Entspannung abgezeichnet. Der Höhepunkt war im April mit gut 30.200 und einem Plus von fast 152 Prozent. In diese Richtung droht es nun wieder zu gehen. Üblicherweise bringt der Tourismus Wien eine jährliche Wertschöpfung von rund vier Milliarden Euro. Covid-19 kostet heuer laut Wifo-Schätzung 1,9 Milliarden davon, ein Einbruch von 45 Prozent. 35.000 der rund 116.500 Jobs könnten der Krise zum Opfer fallen.

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Das Ausbleiben der internationalen Gäste ist kaum aufzufangen. Die Hälfte der Betriebe in Wien hat gar nicht aufgesperrt. Die andere schlägt sich mit einer Auslastung von zehn bis 30 Prozent durch.
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Andreas Purtscher hat im Hotel Zeitgeist im Sonnwendviertel nahe dem Hauptbahnhof schon vor Beginn der Kurzarbeit Mitarbeiter reduziert. Von den derzeit 54 Beschäftigten sind 17 in Kurzarbeit. "Viel abbauen kann man da nicht mehr", sagt Purtscher. Die zarte Erholung, sie sei so gut wie zunichte. Der Manager ist regelrecht geknickt: "In den letzten zwei Tagen haben wir 50.000 Euro Umsatz herausgenommen." Dabei sei der Sommer im Anbetracht der Lage gut gelaufen. Das Zeitgeist hängt weniger von internationalen Gästen ab als die Konkurrenz. Während viele der großen Häuser zu 80 Prozent von den ausländischen Gästen aus Russland, Asien oder arabischen Ländern abhängen, habe man im Zeitgeist im selben Ausmaß inländische Gäste. Im Sommer hat man sich ein neues Veranstaltungskonzept überlegt, Fensterkonzerte ins Leben gerufen. Es hat funktioniert, die Auslastung lag bei 50 bis 60 Prozent – und jetzt das. Purtscher meint damit Sager wie jene von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Österreich stehe "definitiv am Beginn einer zweiten Welle". Das habe einen regelrechten Stornoschub bewirkt.

Kein Grund zum Feiern

Zum Feiern ist auch dem alterwürdigen Grand Hotel am Wiener Ring nicht zumute. 150 Jahre alt ist das Fünfsternehaus heuer. Aus den geplanten Events wurde nichts. Alles abgesagt. Geschlossen wurde das Haus nie ganz. Drei Restaurants und eine Bar haben aber zu. Am 23. September soll nun das japanische Restaurant Unkai wieder öffnen.

Anders als Konkurrent Sacher will man sich nicht von Mitarbeitern trennen, sagt Direktor Horst Mayer: "Wir werden das gemeinsam durchstehen." Der minimale Vorteil, den man dadurch hätte, lohne sich nicht, würde man die damit verknüpften Schicksale in Betracht ziehen. Allerdings: "Wir rechnen jeden Tag von links nach rechts." Das gesamte Haus sei in Kurzarbeit, diese müsse auf jeden Fall bis Ende 2021 verlängert werden, sagt Mayer. Wie Andrea Fuchs vom Sans Souci schaut er mit Bangen nach Deutschland. "Es ist jetzt schon leer, kommen die deutschen Gäste nicht mehr, dann ist es gähnend leer." Den Kopf in den Sand stecken will keiner der genannten Hoteliers. Zeitgeist-Manager Purtscher plant die nächsten Fensterkonzerte. Das Grand Hotel macht bei der Aktion "Erlebe Deine Stadt" mit. Auch wenn der Erfolg unter den Erwartungen blieb, sagt Mayer. "Es ist alles ein Tropfen auf den heißen Stein." Aber das Haus habe schon viele Krisen überlebt. (Regina Bruckner, 17.9.2020)