Wien/Athen – Der österreichische Innenminister Karl Nehammer trat am Mittwoch seine Reise nach Griechenland an, er ließ es sich nicht nehmen, persönlich in der Antonow von Wien-Schwechat nach Athen mitzufliegen, um dort bei der Entladung der österreichischen Hilfsgüter für die Flüchtlinge auf der Insel Lesbos gut gesehen zu werden. Nehammer tat dies mit starker medialer Begleitung, die PR-Beauftragten des Kanzleramts leisteten kräftig Schützenhilfe, um die Kunde der österreichischen Hilfslieferung zu verbreiten.

Am Nachmittag landete die gecharterte Antonow in Athen, insgesamt 400 voll ausgestattete Familienzelte mit Platz für jeweils fünf Personen sowie Matratzen, Polster, Decken, Bettwäsche und Hygienepakete sollen die Not der Menschen im Lager Moria auf Lesbos lindern.

Nehammer zeigt sich bei dieser Gelegenheit stolz über die österreichische Hilfsbereitschaft, betonte zugleich aber einmal mehr, dass man dem Druck "gewaltbereiter Migranten nicht nachgeben" dürfe und Österreich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sei. Belgien hat sich unterdessen bereit erklärt, 100 bis 150 Flüchtlinge aufzunehmen.

Die geplante Reise von Außenminister Alexander Schallenberg nach Griechenland musste am Mittwoch kurzfristig abgesagt werden, weil einer seiner Mitarbeiter positiv auf Corona getestet worden war.

"Politische Ratlosigkeit"

Ewa Ernst-Dziedzic, österreichische Abgeordnete der Grünen, ist bereits seit Tagen auf Lesbos. Sie berichtete am Mittwoch von einem Treffen mit Bürgermeister Stratis Kitelis der Stadt Mytilene in unmittelbarer Nähe zum abgebrannten Flüchtlingslager Moria. Er wolle im Eilverfahren prüfen lassen, wer Asyl bekomme, diese Menschen sollen dann weiter in andere europäische Staaten geschickt werden. Die anderen Menschen müssten in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Kitelis habe mehrfach klargemacht, dass für mehr als 4000 Menschen kein Platz sei, auch ganz praktisch: Es gebe hier schlicht keinen Platz mehr, um weitere Zelte aufzustellen. Ernst-Dziedzic: "Die Frage, wohin mit den neuen Unterkünften, kann niemand beantworten." Das Resümee von Ernst-Dziedzic: "Die politische Ratlosigkeit ist evident, die politische Instrumentalisierung der Situation weiter im Gange."

Bis zum Mittwochmorgen waren gut eintausend Menschen in das neue Camp Kara Tepe wenige Kilometer nördlich der Hauptortschaft Mytiline gegangen, wie der staatliche Rundfunk (ERT) berichtete. 35 Migranten seien positiv auf das Coronavirus getestet worden. Sie seien isoliert worden. Rund 11.000 Menschen leben noch im Freien, nachdem das Camp Moria am Mittwoch vergangener Woche bei einem Großbrand zerstört worden ist.

Kundgebung geplant

In Österreich geht derweil die Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland weiter, wenn auch mit etwas weniger Aufmerksamkeit. Die Grünen bemühen sich, Druck auf den Koalitionspartner ÖVP zu machen, dort gibt es in der Frage allerdings keinerlei Bewegung. Im Ministerrat wurden die am Wochenende angekündigten erweiterten Hilfsmaßnahmen für die Betreuung von Flüchtlingen abgesegnet. Für die Soforthilfe nach dem Brand in Moria sind zwei Millionen Euro vorgesehen. Der Auslandskatastrophenfonds wird um 25 Millionen auf 50 Millionen verdoppelt. Der Kernbeitrag zum UNHCR wird zudem auf 2,2 Millionen vervierfacht.

Die grüne Abgeordnete Faika El-Nagashi, eine der Mitorganisatoren der Plattform für eine menschliche Asylpolitik, sagt: "Wir geben nicht auf", und pocht weiter auf die Aufnahme von Flüchtlingen. El-Nagashi unterstützt die Planungen für eine Kundgebung am 3. Oktober in Wien, an der sich auch die Volkshilfe beteiligt.

Leerstehende Unterkünfte

Im niederösterreichischen Landtag werden die Neos einen Antrag einbringen, Kinder aus Moria aufzunehmen. Neos-Chefin Indra Collini verweist darauf, dass am Semmering und in Korneuburg zwei Unterkünfte leerstehen, obwohl das Land weiterhin Miete bezahlen muss. Die Mietverträge sind bis 2025 und 2029 abgeschlossen, die Verträge mit Kündigungsverzicht und Entgeltfortzahlung hat Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner in ihrer früheren Funktion als Innenministerin abgeschlossen.

Freilassungen auf Samos

Indes hat die griechische Polizei nach dem Ausbruch eines Feuers nahe eines Flüchtlingslagers auf der Insel Samos am Dienstag zehn Migranten, die vorübergehend festgenommen worden waren, mangels Beweisen wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie waren der Zeitung "Ethnos" (Nation) zufolge befragt worden, weil die Polizei Erhebungen wegen mutmaßlicher Brandstiftung aufgenommen hatte. (Michael Völker 16.9.2020)