Wien – In der Spesenaffäre von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wollen die Ermittler dessen Konten öffnen. Laut einem der APA vorliegenden "Anlassbericht" hat das Bundeskriminalamt die Staatsanwaltschaft um eine Kontoregisterabfrage beim ehemaligen Vizekanzler ersucht. Begründet wird das mit Zeugenaussagen, wonach Strache seine Mitarbeiter zahlreiche Bargeldtransfers für Privataufwendungen durchführen ließ.

In der Spesenaffäre will das Bundeskriminalamt die Konten von Heinz-Christian Strache öffnen lassen.
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Ob die Staatsanwaltschaft Wien dem mit 4. August datierten Ersuchen nachkommt oder bereits nachgekommen ist, ist unklar. Da es sich um einen Verschlussakt handelt, gab es von der Staatsanwaltschaft dazu keine Auskunft. Sie ermittelt derzeit wegen des Verdachts der Untreue gegen Strache sowie gegen seine Ehefrau Philippa, außerdem gegen eine langjährige Mitarbeiterin und zwei ehemalige Leibwächter. Der Vorwurf lautet, Strache habe von 2006 bis Mai 2019 private Ausgaben über Scheinbelege an die Partei weiterverrechnet. Die FPÖ hat sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen. Strache und seine Frau wiesen die Vorwürfe stets zurück.

Aussagen von Ex-Mitarbeitern

Das nun bekannt gewordene Ansuchen des Bundeskriminalamts wird von den Ermittlern mit den Aussagen von bereits befragten Zeugen begründet. Demnach haben mehrere ehemalige Mitarbeiter ausgesagt, dass sie für private Aufwendungen Straches, die durch sie geleistet bzw. in Straches Namen überwiesen wurden, vom damaligen FPÖ-Chef Bargeld erhalten haben.

Laut Straches ehemaligem Leibwächter R. sollen, "betreffend die Geldflüsse seitens Heinz-Christian Strache, zeitnah Abhebungen von den Gehalts- und Geschäftskonten des Heinz-Christian Strache vorhanden sein", heißt es im Anlassbericht zur Begründung der Ermittler für ihr Ersuchen an die Staatsanwaltschaft. "Aus diesem Grund wäre eine Abfrage der Konten des Heinz-Christian Strache, inklusive jener Konten, bei denen er als Zeichnungsberechtigter angeführt ist bzw. war, ausgenommen der Konten, die eindeutig der FPÖ zuzuordnen sind, zur Klärung, von wo die privaten Ausgaben und Lebensführungskosten finanziert wurden, unbedingt erforderlich."

Mehr als halbe Million Euro Schaden

Der von Strache mutmaßlich verursachte Schaden in der Spesenaffäre soll, wie schon die "Kronen Zeitung" am Dienstag berichtete, zumindest bei 580.832,82 Euro liegen – und zwar zum Nachteil der FPÖ Wien, der Bundes-FPÖ, des FPÖ-Parlamentsklubs und des Wiener FPÖ-Gemeinderatsklubs.

Allerdings könnte diese Summe laut dem vorliegenden Akt noch höher sein: "Zur Schadenssumme wird weiters ausgeführt, dass die seitens Heinz-Christian Strache" bzw. durch dessen ehemalige Mitarbeiterin eingereichten Belege "zum größten Teil noch nicht aufgearbeitet werden konnten". "Aufgrund der sogenannten umgewandelten Belege wird sich die Schadenssumme noch wesentlich erhöhen", schreiben die Ermittler.

Ordner mit Rechnungen

Im Ansuchen an die Staatsanwaltschaft werden mehrere Aussagen und Beweismittel aufgelistet. Demnach übergab eine ehemalige Mitarbeiterin Straches den Ermittlern "3 blaue Ordner mit Rechnungen und Unterlagen, von denen sie angab, dass sie ihr seitens Heinz-Christian Strache in bar bezahlt wurden", heißt es im Anlassbericht. In diesen Unterlagen finden sich auch "Urlaubsrechnungen von diversen Reiseveranstaltern in der Höhe von insgesamt 69.668,1 Euro". Insgesamt geht es bei diesen Rechnungen um eine Summe von 134.503,86 Euro.

Auch der ehemalige Leibwächter R. gab laut dem vorliegenden Akt an, dass er von einer ehemaligen Mitarbeiterin Straches bzw. vom damaligen Parteichef selbst "Bargeld erhalten hätte, damit er (R., Anm.) Überweisungen von seinem Konto oder Bareinzahlungen durchführen konnte". Ein weiterer Zeuge gab an, dass er zur Begleichung einer Rechnung einer Markisenfirma in Höhe von mehr als 5.000 Euro im September 2015 von Strache "Banknoten mit einer Nominale von jeweils 50,- Euro in bar erhalten hätte"; auch ein entsprechender Beleg wurde den Ermittlern übergeben. Leibwächter R. sagte darüber hinaus bei einer seiner Einvernahmen Anfang Oktober 2019 aus, dass er für Strache im Jahr 2016 etwa um 40.000 bis 50.000 Euro Goldmünzen bei Banken und Münzhandlungen gekauft habe.

Sporttasche mit Bargeld

Das Ansuchen der Ermittler ist auch insofern pikant, als bereits 2019 Ermittlungsakten publik wurden, laut denen ein Ex-Leibwächter ausgesagt haben soll, 2013 eine Sporttasche mit großen Bargeldmengen in Straches Dienstauto gesehen und fotografiert zu haben. Straches Ex-Assistentin wiederum berichtete laut den damaligen Medienberichten gegenüber den Ermittlern von einem Rucksack mit 50-Euro-Bündeln ebenfalls im Jahr 2013. Einer ebenfalls damals bekannt gewordenen Anzeige zufolge soll das Geld von ukrainischen Oligarchen stammen, um einen ihnen genehmen Mandatar in den Nationalrat zu pushen. Strache hatte auch diese Vorwürfe stets zurückgewiesen. Ermittlungen rund um den mutmaßlichen Mandatskauf wurden bereits 2018 eingestellt – mit der Begründung, dass die Erstellung einer Wahlliste durch eine Partei kein Amtsgeschäft sei und damit Mandatskauf als Bestechlichkeit nicht strafbar sei. (APA, 17.9.2020)