Nanoton nennt sich das Gemisch aus Ton und Wasser, das das Unternehmen Desert Control einsetzt, um auf Sand Landwirtschaft zu betreiben.

Foto: Desert Control

Vor mehr als 5.000 Jahren perfektionierten die Ägypter die antike Landwirtschaft. Das Klima war trocken, das Land umgeben von Wüsten. Trotz der harschen Bedingungen schufen die Menschen eine Zivilisation, die für ihre großflächige Landwirtschaft weltberühmt wurde. Geschuldet war der Erfolg dem Nil – und einer Bewässerungsmethode, die auf den regelmäßigen Überschwemmungen und Nährstoffen des Flusses aufbaute.

Weil die jährlichen Überflutungen jedoch variierten, führten sie in Ägypten auch immer wieder zu Dürren und Hungersnöten. Mit dem in den 1960er-Jahren errichteten Assuan-Staudamm sollten die Überflutungen besser kontrolliert werden. Allerdings hielt der Damm fortan Mineralien, Nährstoffe und Ton zurück, die das Land am Nil fruchtbar machten. Viele der in dem Nilschlamm enthaltenen Nährstoffe mussten mit Kunstdüngern ersetzt werden.

Ton für die Landwirtschaft

2.000 Kilometer weiter im Osten will ein norwegisches Unternehmen nun wieder auf alten Lehren aufbauen. Auf einem 1.000 Quadratmeter großen Sandboden am Rande von Dubai züchtete es innerhalb von 40 Tagen rund 200 Kilogramm Wassermelonen, Zucchini und Hirse. Die Technologie dahinter bezeichnet das Unternehmen als flüssigen Nanoton – eine Mischung aus Wasser und Ton, die auf den Sand gesprüht wird. Nicht nur will das Unternehmen damit den Wasserverbrauch reduzieren, sondern ganze Wüstenregionen wieder ergrünen lassen.

Ton, den das Unternehmen Desert Control dafür einsetzt, spielt für die Bodenstruktur schon seit jeher eine bedeutende Rolle. "Ton kann Wasser und verschiedene Nährstoffe binden, die dann von den Pflanzen über die Wurzeln aufgenommen werden", sagt Winfried Blum, emeritierter Professor an der Universität für Bodenkultur Wien.

Ummantelung von Sandkörnern

Während Sandkörner durch ihre einfache Struktur nur wenig Wasser und Nährstoffe halten können, entstehe laut Desert Control durch den Ton eine Ummantelung mit einer größeren Oberfläche, durch die Wasser und Nährstoffe aufgenommen werden können. Allerdings sei es laut dem Unternehmen entscheidend, die richtige Menge an Ton in die Erde zu mischen. Wird zu wenig Ton beigefügt, hätte dieser kaum eine Wirkung, setze man zu viel ein, könne es den Boden zu stark verdichten.

Zehn Jahre habe man Versuche in Ägypten, China und Pakistan durchgeführt, um die richtige Mischung aus Ton und Wasser für die jeweiligen Böden zu finden. Ziel sei es, den Sandboden rund einen halben Meter tief mit dem Nanoton anzureichern und damit fruchtbar zu machen. Dies soll laut dem Unternehmen bereits innerhalb von sieben Stunden möglich sein. Danach könne alles auf dem Boden angepflanzt werden, das normalerweise in der Region angebaut werde.

Allerdings sind einige Forscher skeptisch, was die Vorhaben des Unternehmens anbelangt. "Mischt man Ton mit Wasser, fängt dieser sofort zu quellen an", meint Blum. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie es möglich sein soll, den Ton in den Sand zu bekommen, ohne dass das extrem teuer wird." Zusätzlich bräuchte man schon allein für die Erzeugung der Mischung sehr viel Wasser, das eben in Wüstengebieten schwer aufzutreiben ist.

Wüstenausbreitung nimmt zu

Handlungsbedarf, um gegen den Verfall der Böden und die Ausbreitung der Wüsten vorzugehen, gebe es laut Experten genug. Einem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zufolge habe Ackerland weltweit bereits 20 bis 60 Prozent des ursprünglichen organischen Kohlenstoffgehalts eingebüßt. Ursache dafür sei unter anderem die konventionelle Landwirtschaft mit ihrem intensiveren Ackerbau und einem hohen Einsatz von Düngemitteln.

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass jedes Jahr rund zwölf Millionen Hektar Land aufgrund von Dürren und Wüstenbildung verlorengehen – das entspricht rund der eineinhalbfachen Größe Österreichs. Die Ursachen dafür seien verschieden, aber generell eine Kombination aus Klimawandel, Abholzung, Überweidung, intensiven Anbaumethoden und schlechter Bewässerung. Bis 2030 könnten 135 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Wüstenbildung verlieren.

Die große grüne Mauer

Möglichkeiten, gegen die Wüstenausbreitung anzukämpfen, wurden in der Vergangenheit bereits einige getestet. Seit 2007 versuchen mehr als 20 Länder in der Sahelzone die Ausbreitung der Sahara-Wüste mithilfe einer 8.000 Kilometer langen Mauer aus Millionen von Bäumen zu verlangsamen. Andere Initiativen versuchen, die richtige Mischung und Dauer von Beweidung zu finden, um die Erde fruchtbar zu halten. Zusätzlich kann Erosion verhindert werden, indem die Einflüsse von Wind und Regen auf den Boden durch Bäume und Pflanzen reduziert werden. Wirklich stoppen lasse sich Wüstenausbreitung laut Blum allerdings nicht. Am Ende sei dies nur durch klimatische Veränderungen möglich.

Mit Millionen von Bäumen will die Initiative Great Green Wall die Ausbreitung der Sahara verlangsamen.
Foto: GGW

Kein Allheilmittel

Das Unternehmen Desert Control will in Zukunft eine größere Produktion des Ton-Gemischs hochfahren, das zuerst in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Einsatz kommen soll, um dort den Wasserverbrauch für die Bewässerung zu reduzieren. Allerdings sind die Kosten der Anwendung derzeit noch so hoch, dass es vorerst allein den wohlhabenderen Landwirtschaftsbetrieben dienen wird. Zusätzlich müssen alle vier bis fünf Jahre 15 bis 20 Prozent der ursprünglichen Behandlung erneut durchgeführt werden, um den Boden fruchtbar zu halten.

Noch importieren die Vereinigten Arabischen Emirate rund 80 Prozent von Obst und Gemüse. Landwirtschaftliche Betriebe brauchen in der Nähe der Wüste und bei Temperaturen von bis zu 50 Grad rund dreimal so viel Wasser wie in gemäßigten Klimazonen. Selbst wenn das Tongemisch großflächiger eingesetzt werden könnte, stellt sich die Frage, wie sinnvoll und effektiv es für das Land in Zukunft ist, bei Lebensmitteln auf Eigenanbau zu setzen. (Jakob Pallinger, 6.10.2020)