Nur nicht zu nahe kommen: Die Spieler des SV Holdenstedt II blieben auf Abstand zum Ball – und zu den Gegnern.
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Uelzen – Beim Eckball wurde es schwierig. Wenn die vielen Spieler des SV Holdenstedt II aus Sachsen-Anhalt nach vorne in den Strafraum kamen, um das 27. oder 34. Tor zu erzielen, beispielsweise der Achtfach-Torschütze Rick-Matthis Müller, "dann wurde es schon knifflig", berichtet Patrick Ristow dem SID. Denn die SG Ripdorf Molzen II spielte beim 0:37 (0:23) in der 3. Kreisklasse Heide-Wendland West eine komplizierte "Anti-Manndeckung" – aus Angst vor Corona.

Social Distancing auf dem Fußballplatz: Diese einmalige Kuriosität geht mit Verspätung in Windeseile durch Deutschland und um die Welt. Während des Gesprächs mit dem 2. Vereinsvorsitzenden Ristow klingelt ständig sein anderes Telefon, "auch internationale Medien fragen an und wollen alles wissen".

Gegenspieler hatte Kontakt

Ein Spieler des Gegners, das ist der Ausgangspunkt, wurde nach dem Kreispokalfinale als Kontaktperson zu einem Corona-Infizierten identifiziert. "Die folgende Quarantäne war uns zu kurz", sagt Ristow. Holdenstedt lehnte seiner Schilderung gemäß eine Verschiebung ab, das Nichtantreten hätte "eine höhere Geldstrafe" zur Folge gehabt: "Und die können wir uns in diesen Zeiten absolut nicht leisten."

Andererseits finden sich Personen aus Risikogruppen in der Mannschaft. Ein Spieler ist gerade Vater geworden, das ist ihm zu heikel. Der Vater eines anderen hat eine Lungenentzündung. Das Team beschließt: Sieben Freiwillige werden auflaufen und zu jedem Gegenspieler zwei Meter Abstand halten. Die Tore fallen in der 1., 2., 5., 6., 8., 9. Minute. Der Schiedsrichter ist genervt. Holdenstedt hat quasi 100 Prozent Ballbesitz: Denn hätte Ripdorf den Ball, würde der Gegner ja angreifen. Es wird ein Spiel ohne Foul oder Freistoß.

Spielverlegung war möglich

Gefoult wurde allerdings womöglich kräftig abseits der Asche. "Es hat nie einen offiziellen Antrag für Spielverlegung gegeben. Nur die Trainer haben kommuniziert", sagte der Holdenstedter Abteilungsleiter Charly Krug.

"Ich hätte mir die Sorgen und Nöte gerne angehört. Natürlich wäre eine Spielverlegung möglich gewesen. Die Mannschaft hat sich freiwillig testen lassen." Dass sein Team nicht drei schnelle Tore schoss und es dann gut sein ließ, findet Krug aber schon "moralisch sehr verwerflich".

Inszenierung und Unding

Wie es genau abgelaufen ist, wird schwierig aufzuklären sein. Christian Röhling ist das auch vollkommen egal. "Wenn selbst die Presse vorab informiert wird, das etwas Besonderes passieren kann, und der Verband das zwei Tage später aus der Zeitung erfährt, ist das eine absolute Frechheit", schimpfte der Vorsitzende des Fußball-Kreises Heide-Wendland: "Das war ganz klar inszeniert! Dass wir jetzt dafür durchs Dorf getrieben werden, ist ein Unding. Ich bin stinksauer und werde mir beide Seiten vorknöpfen."

Sein Fazit des ultrakuriosen Spiels: "Beide in den Sack, Knüppel drauf – da triffst du immer den Richtigen." Nachträglich allerdings wollte er seine Aussagen teilweise relativiert sehen: Es habe immerhin zumindest eine "grobe Verlegungsanfrage" beim Staffelleiter gegeben. (sid, 17.9.2020)