Die Meereisfläche rund um den Nordpol ist in diesem Sommer auf die zweitgeringste Ausdehnung seit dem Beginn satellitengestützter Beobachtung im Jahr 1979 geschrumpft. Sie belief sich Mitte September auf nur noch 3,8 Millionen Quadratkilometer, teilte das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven am Donnerstag mit. Es war erst das zweite Mal, dass ein Minimum von unter vier Millionen Quadratkilometern gemessen wurde.

Nur im Sommer 2012 war die Meereisbedeckung geringer als in diesem Jahr.
Foto: Steffen Graupner

2012 war die Meereisbedeckung in der Arktis demnach bis auf 3,27 Millionen Quadratkilometer gefallen und hatte den aktuellen Wert damit noch einmal um rund 500.0000 Quadratkilometer unterboten. Nach Angaben des AWI sind die Gründe für den Rückgang in diesem Jahr "vielschichtig". Eine Rolle spielten dabei die besonders hohen, rekordverdächtigen Luft- und Wassertemperaturen, die 2020 in den Polarregionen der Nordhalbkugel vorherrschten.

Warmluft, Wind und hohe Wassertemperaturen

Den Wissenschaftern zufolge setzte sich im Mai und Juni eine ausgedehnte Warmluftzelle an der sibirischen Küste fest, was die Lufttemperatur um bis zu sechs Grad Celsius über den Langzeitmittelwert ansteigen ließ. Auch die Wassertemperatur der Meere rund um den Nordpol war deutlich erhöht. All dies habe dem Eis zugesetzt und dieses großflächig abschmelzen lassen, erklärten die Forscher.

Das Forschungsschiff Polarstern bahnt sich seinen Weg nach Norden mühelos.
Foto: Steffen Graupner

Ein Faktor seien aber auch die Wellen- und Windverhältnisse vor der russischen Küste während des vergangenen Winters gewesen. So habe sich lediglich auffallend dünnes neues Eis gebildet, das im Frühjahr schnell wieder gebrochen sei. Insgesamt sei der starke sommerliche Rückgang der Eisfläche für die wissenschaftlichen Beobachter somit keine Überraschung gewesen.

"Offenes Wasser fast bis zum Pol"

Wissenschafter an Bord des deutschen Forschungsschiffs Polarstern konnten die rapide Eisschmelze in diesem Sommer live miterleben. "Das Meereis der Arktis hat sich in diesem Jahr atemberaubend weit zurückgezogen. Als wir den Nordpol kürzlich erreicht haben, sahen wir weite Bereiche offenen Wassers fast bis zum Pol, umgeben von Eis, welches durch massives Schmelzen völlig durchlöchert war", berichtete Expeditionsleiter Markus Rex.

AWI-Experten erstellen jedes Jahr eine Bilanz der sommerlichen Eisschmelze in der Arktis, die bis in den September andauert. Sie stützen sich dabei auf Satellitendaten. Ab September fallen die Temperaturen in der Region rund um den Pol wieder unter null Grad. (red, APA, 17.9.2020)