Landestheater-Schauspieler Tim Breyvogel als Christoph Kolumbus auf dem Weg in die Nebel der Zukunft.

Foto: Alexi Pelekanos

In Sachen Isolation sind mittlerweile so gut wie alle Experten des Alltags. Im 17. Jahrhundert, als Molière Schule der Frauen schrieb, kannte man Quarantänemaßnahmen natürlich auch schon. Damals gab es zwar noch kein Corona, aber die Pest, die auch nicht lustig war.

Die Hauptfigur der fünfaktigen Komödie setzt jedoch aus einem ganz anderen Grund auf Isolation: Er möchte sich eine unschuldige, unerfahrene und grundsätzlich leicht lenkbare Frau heranziehen, die ihn ganz sicher nicht betrügen oder sonst wie unglücklich oder lächerlich machen wird.

Es kommt bekanntlich dann doch ein wenig anders in diesem Stück, das immer wieder gerne auf die Spielpläne genommen wird – nicht zuletzt, weil es in seinen für seine Entstehungszeit unerhört modernen Fragen nach Geschlechterrollen und Emanzipation bis heute aktuell ist. Auch, weil sich halt in vielen Bereichen noch nicht gar so wahnsinnig viel getan hat, was die Emanzipation betrifft.

Ein Fest für Schauspieler

Das findet auch die Schauspielerin und Regisseurin Ruth Brauer-Kvam: "Die Schule der Frauen war zu seiner Zeit ein feministisches Stück, in jeder Hinsicht! Heute schaut unsere Welt, zum Glück, anders aus – trotzdem gibt es überall noch Unterdrückung, in einigen Ländern ist es für Mädchen immer noch verboten, in die Schule zu gehen, und eine ganze Generation wächst gerade in Flüchtlingslagern ohne jegliche Bildung auf!" Im Landestheater Niederösterreich inszeniert sie Molières Schule der Frauen zur Eröffnung der neuen Saison (Vorstellungen bis 30. Jänner 2021). "Mir war wichtig, nach einem halben Jahr erzwungener Spielpause eine Art ‚Fest für Schauspielerinnen und Schauspieler‘ auf die Bühne zu bringen", erzählt die Regisseurin.

"Molière hat seine Wurzeln in der Commedia dell’arte", schließt sie an. "Mit dieser Welt haben wir uns intensiv beschäftigt, und ich hoffe, dass der Zauber und die Poesie, die wir in den letzten Wochen entdeckt haben, auch das Publikum ansteckt und inspiriert." Brauer-Kvam arbeitet dabei nicht nur mit den Mitteln der Commedia dell’arte, sondern setzt auch viel Livemusik ein, die von Ingrid Oberkanins kommt.

Musik spielt in Felix Hafners Inszenierung von Thomas Manns Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (26. September) ebenfalls eine herausragende Rolle. Zuständig dafür ist bei ihm der nicht ganz unbekannte österreichische Singer-Songwriter Bernhard Eder. Manns Stück wartet freilich mit nicht geringer Aktualität auf. Denn bei Sätzen wie "Es ist ein allgemeines, menschliches Bedürfnis, sich täuschen zu lassen" oder "Welch eine herrliche Gabe ist die Phantasie, und welchen Genuss vermag sie zu gewähren!" kann man im zwar noch jungen, aber doch schon recht verkorksten 21. Jahrhundert gar nicht anders als an einen orangehaarigen Fantasten und seine Anhängerschaft zu denken.

Hafner, der für sein junges Alter schon ganz schön rumgekommen ist und demnächst Saša Stanišić’ mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnetes Werk Herkunft am Münchner Volkstheater auf die Bühne bringt, interessiert sich vor allem für die Frage: "Will die Welt betrogen werden?" Wobei: Man weiß oft gar nicht, ob man es so genau wissen will.

Bereits in der vergangenen Spielzeit hätte René Medvešeks Inszenierung von Miroslav Krležas Christoph Kolumbus zu sehen sein sollen, nun kommt es mit etwas Verspätung am 3. Oktober auf die Bühne – und hat in den letzten Monaten sicher nichts an Aktualität verloren.

Die Zukunft mit Nestroy

Medvešek ist sich auf jeden Fall sicher, dass uns dieses Stück aus dem Jahre 1917 auch heute noch viel zu erzählen hat: "Unsere Lebenswirklichkeit ist technologisch wie politisch im Umbruch, und es stellt sich erneut die Frage, ob wir bei diesem großen historischen Rutsch wirklich in der ersehnten Neuen Welt – oder nach einer Reise um den Globus doch wieder in den alten Verhältnissen landen."

Eine große Freude ist es schließlich, dass Alexander Pschill und Kaja Dymnicki – im kommenden Jahr am 20. März – Nestroys Talisman auf die Bühne bringen. Die beiden haben sich, gemeinsam mit Julia Edtmeier, Fug und Recht sowie der von ihnen geleiteten Bühne Bronski & Grünberg schon einen warmen Ehrenplatz im Herzen der Wiener Theaterlandschaft erspielt. In St. Pölten bringen sie die Posse rund um Sein und Schein, Stolz und Vorurteil mit Musik (Stefan Lasko), eigenen Couplets und sicher reichlich bösem Witz auf die Bühne. (Andrea Heinz, 24.9.2020)