Recycelte Ideen: Peter Fischli im Kunsthaus Bregenz.

Foto: Peter Fischli, Kunsthaus Bregenz

Recycelte Ideen 2: Peter Fischli im Kunsthaus Bregenz.

Foto: Peter Fischli, Kunsthaus Bregenz

Wildwasser-Rafter, Jetski-Fahrer, Bungee-Jumper und Gipfelstürmer schleudern einem jede Menge Abenteuerlust und gute Laune entgegen. Man sieht lauter Ich-Erzählungen vom tollen Leben, gefilmt mit Miniaturkameras, die jede Funsportart mitmachen. Die Gopro-Werbevideos, die Peter Fischli mit seinem Smartphone vom Monitor eines Elektrogroßmarkts gefilmt und neu geschnitten hat, bilden das Porträt einer auf Selbstinszenierung konditionierten Spaßgesellschaft. Das schlägt irgendwie aufs Gemüt. Was daran liegt, dass sich nicht erschließt, was es uns über das Offensichtliche hinaus sagen will.

Über dreißig Jahre bildete Peter Fischli mit Landsmann David Weiss das Künstlerduo Fischli/Weiss. Mit ihren humorvoll-anarchischen Blicken auf das Alltägliche und Banale wurden die beiden Schweizer zu Lieblingen der internationalen Kunstszene. Sie nahmen Medienphänomene eher vorweg, als sie im Nachhinein zu kommentieren.

Katzenvideos

Man denke an das Milch schleckende "Büsi", das eine zweite Karriere am New Yorker Times Square hinlegte, als Katzenvideos längst ein Internethit waren. Gefilmt hatten Fischli/Weiss das Tier schon lange vorher, als sie für ihren Auftritt im Schweizer Pavillon der venezianischen Biennale 1995 gezielt kunstferne Welterkundungen unternahmen.

Weiss starb 2012. Seither ist Fischli solo tätig, jetzt bespielt er das Kunsthaus Bregenz. Sein Interesse gilt nach wie vor dem Banalen, was die bierernst porträtierte Spaßgesellschaft und ihren Einzug in den hehren Ort der Kunst betrifft, hat er dafür immerhin das passende Ambiente geschaffen: Im KUB-Foyer wurde kräftig umgebaut, das teure Interieur mit billigen weißen Pressspanplatten verkleidet, Wertiges abgewertet und das Mobiliar gleichzeitig überproportional aufgeblasen.

Hierarchien werden umgekehrt, Erwartungshaltungen unterlaufen. Das funktioniert am besten, wenn sich Fischli die Institution und ihre Architektur vorknöpft.

Die Verwirrspiele beginnen bereits auf der Einladungskarte, auf der sich Bregenz als Bilbao ausgibt, während an der Wand befestigte Boxen, die in Museen üblicherweise Infozettel für Besucher enthalten, zu in Bronze gegossenen, skulpturalen Objekten werden.

Was echt ist und was Fake, und ob es so etwas wie Authentizität überhaupt (noch) gibt, sind die zentralen Themen der Schau. Zum Beispiel anhand einer im Obergeschoß ausgebreiteten, enzyklopädisch anmutenden Ansammlung von Formen aus der Verpackungsindustrie. Fischlis Cans, Bags & Boxes sind aus Karton, Tapetenkleister, Zeitungspapier und Holzleim gemachte Attrappen, die sich auf weißen Sockeln platziert als Skulpturen ausgeben. Auf den Kopf gestellt, wirken einige dieser Sockel aber wie Abfalleimer für die hohlen Versprechen der Konsumkultur.

Dieselbe Idee

Wieder ein Stockwerk höher wird das Authentische endgültig zum Phantom. Und zwar in Gestalt eines Affen, den Fischli als Zehnjähriger gemalt und Jahrzehnte später in einer Serie lithografischer Drucke reproduziert hat.

Der Witz daran: Es handelte sich um eine Professoren-Edition für die Frankfurter Städelschule. Die 26 aus schmutziggelbem Polyurethan-Hartschaum gemachten Affen-Reliefs, die er jetzt in Bregenz zeigt, sind im Prinzip nichts mehr als die laue Fortführung derselben Idee in einem anderen Medium.

Neugieriger machen da die nächtlichen Fotos von Rasierschaum-Spuren auf Autos, Parkbänken, Verkehrsschildern und Hausmauern, die Fischli in Zürich gemacht hat. Wer sprüht hier und warum?

Zumindest der Alltag bewahrt sich ein Stück Anarchie, seine Rätsel bleiben ungelöst. Ebenso wie die Frage, was es mit den weißen Papierwolken mit angesengten Rändern auf sich hat, die Fischli über die Sommermonate geschaffen hat und die jetzt an den Kunsthaus-Wänden schweben. Sie erinnern nicht von ungefähr an leere Sprechblasen. (Ivona Jelčić, 18.9.2020)