Das Frauenvolksbegehren 2.0 ist bis heute eine wichtige zivil-gesellschaftliche Bewegung.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Vor ziemlich genau zwei Jahren war es soweit. Zwischen dem ersten und dem achten Oktober 2018 konnte man für das Frauenvolksbegehren 2.0 unterschreiben. Etwa zwei Jahre nach dem Start der Initiative und 20 Jahre nach dem ersten Frauenvolksbegehren im Jahr 1996. Die allermeisten Forderungen von damals – seien es gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder jene nach flächendeckenden, ganz tätigen Betreuungseinrichtungen für Kinder – wurden gar nicht oder nur im Ansatz ernsthaft angegangen. Die Forderungen des zweiten Frauenvolksbegehrens knüpften teilweise an den offenen Forderungen des ersten an. Von diesen erneuerten neun Forderungen wurde bisher kein einziges umgesetzt. Unterzeichnet haben das Frauenvolksbegehren 2.0 fast eine halbe Million. Konkrete Lösungen, die die 481.959 Menschen mit ihrer Unterschrift gefordert haben, gibt es also keine.

Trotzdem: Das Frauenvolksbegehren 2.0 wurde zu einer wichtigen feministischen zivil-gesellschaftlichen Bewegung. Es brachte Allianzen zustande – wie übrigens auch das erste Frauenvolksbegehren 1996 –, die bei Fragen zu Sexualität, Schwangerschaftsabbruch oder Frauenquoten für die Wirtschaft wirklich nicht zu leicht zu schmieden sind. Gleichzeitig blieb man kompromisslos bei jenen Forderungen, für die es aus Gleichberechtigungsperspektive einfach zu viele gute Argumenten gibt, wie etwa bei der Forderung einer 30-Stunden-Woche. Neos-Politiker*innen hat das Frauenvolksbegehren damit als Unterstützer*innen verloren. Dafür gab es zu dieser Forderungen die meisten Medienberichte, woran ein Betrag im Buch "Überforderungen. Wie feministischer Aktivismus gelingt" erinnert, das eben erschienen ist.

Keine Scheu vor dem Boulevard

Und in der Tat wissen die Aktivist*innen des Frauenvolksbegehrens wie feministischer Aktivismus geht – das zeigen einmal mehr die vorliegenden Buchbeiträge. Das FVB gab sich von Beginn an vielstimmig, man legte einen hoch professionellen Social Media-Auftritt hin, wurde seinem Anspruch auf eine möglichst barrierefreie Sprache gerecht und hatte keine Berührungsängste zum Boulevard – und das ist in feministischen Kreisen wirklich eine Seltenheit. Mitinitiatorin und einer der Sprecher*innen des FVB Lena Jäger war sogar mehr als einmal bei "Fellner! Live", einem TV-Talk-Format von Oe24 zu Gast. Respekt.

Respekt gilt auch dem vorliegenden Buch mit Beitragen von Protagonist*innen, Aktivist*innen und Unterstützer*innen des Frauenvolksbegehren. Auch darin wurden unterschiedliche Herangehensweisen vereint. Da findet sich der Versuch, mit doch recht radikalen Ansagen von Nicole Schöndorfer feministisch etwas auf den Weg zu bringen ebenso, wie die liberale Vorgehensweise der Influencerin Madeleine Darya Alizadeh (dariadardia).

Magdalena Baran-Szoltys, Christian Berger (Hg.), Überforderung, 283 Seiten / 22 Euro, Kremayr&Scheriau Verlag, 2020
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Arbeit im Bleistiftrock

Die Beiträge sind zudem eine Mischung aus konkreten Erzählungen über die Pressearbeit oder wie man die oft akademisch vermittelte Intersektionalität in konkrete Bilder übersetzt werden kann. Zum Beispiel indem man bei Arbeitsmarktthemen das übliche Foto von einer Frau im hautengem Bleistiftrock und Blazer sein lässt, und halt mal eine Frau mit einer Behinderung zeigt. Ganz einfach eigentlich. Wir müssen "Gewohnheiten herausfordern und erweitern", schreibt Kulturwissenschafterin Elisabeth Lechner hierzu. Konkretes erfährt man auch in Beiträgen über Framing-Techniken des Frauenvolksbegehrens von FVB-Aktivistin Maria Schachinger und die Ökonomin Christa Schlager erklärt hervorragend, warum wir gerade jetzt über den Wert der unbezahlten Arbeit sprechen müssen.

Fehlen darf freilich auch nicht die Geschichte der Entstehung des Frauenvolksbegehren 2.0. (von Agnes Roth-Gritsch, Eva-Maria Titz und Lena Jäger) sowie eine Rückblick in Form einer Rede von Journalistin und Mitinitiatorin des ersten Frauenvolksbegehrens Elfriede Hammerl zum Frauentag am 8. März 1997.

Einen kleinen Einwand gibt es: Der Anspruch des Frauenvolksbegehrens auf eine möglichst einfache Sprache gelingt den Buchbeiträgen leider nicht immer. Das ändert aber nichts daran, dass es in jede gut sortierte feministische Bibliothek gehört. Es ist praktisches Nachschlagewerk, Motivator für zivil-gesellschaftliches Engagement und ein Stück Geschichte österreichisches Aktivismus für Gleichstellungspolitik in einem. (Beate Hausbichler, 18.9.2020)