Baustellenlärm plus Corona-Kunst: Insgesamt 18 Porträts fädeln sich um die Baustelle des Wien-Museums.
Foto: KLAUS PICHLER / Wien Museum

Wien – Wie eine Warnweste leuchtet der neonorange Zaun, der die Baustelle vom belebten Karlsplatz abtrennt. Dahinter bearbeiten Bagger und Bohrhammer das ruinenhafte Wien-Museum, damit es wie geplant 2023 wieder eröffnen kann.

Die als Abgrenzung dienende Wandfläche nutzt das Museum nun als Ausstellungsdisplay und bespielt sie mit der Open-Air-Schau Face it!. Rund um die Uhr gibt es die Arbeiten der französischen Fotografin Elodie Grethen zu sehen. Passanten blicken in maskierte Gesichter von 18 porträtierten Menschen (Mund-Nasen-Schutz oder Gesichtsvisier). Daneben erzählen Texte aus der Ich-Perspektive, wie diese Menschen den Ausnahmezustand vor, während und nach dem Lockdown erlebt haben. Kurator Peter Stuiber interviewte die Personen und protokollierte die Berichte.

Supermarkt-Angestellte und "Augustin"-Verkäufer

Als ein "Kaleidoskop des Alltags" lässt man da – stark um Diversität bemüht – ganz unterschiedliche Menschen zu Wort kommen: eine alleinerziehende Mutter aus Favoriten, eine Ärztin, die selbst an Covid erkrankt war, oder eine Supermarkt-Angestellte. Eine Modedesignerin berichtet, wie sie ihr Geschäft zusperren musste, ein Lehrer von Distance-Learning und ein Augustin-Verkäufer davon, dass ihm seine Stammkunden auch während des Lockdowns treu geblieben sind.

Zugegeben ist es eine herzig-raffinierte Idee, den sonst nackten Bauzaun zu nutzen. (Auch wenn der Lärm der Baumaschinen nicht unbedingt ideales Ausstellungsflair versprüht.) Man möchte auf einzelne Schicksale aufmerksam machen, Menschen Mut zusprechen.

Zugegebenermaßen sind die Porträts aber nicht unbedingt hoffnungsvoll. Vielleicht hätte man sich auch eines leichteren Themas annehmen können. Wo bleibt der verdrängende Eskapismus? Die maskierten Gesichter sieht man ohnedies überall. Langsam wird man des omnipräsenten Krisenthemas überdrüssig. Bitte um Ablenkung! (Katharina Rustler, 17.9.2020)