Noch immer werden hunderte Milliarden Dollar in die Öl- und Gasindustrie investiert.

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Glaubt man den Initiativen von Banken, Investoren und Vermögensverwaltern, steht die Rettung des Planeten kurz bevor. Hunderte neue Nachhaltigkeitsfonds sollen Investitionen in Öl oder Kohle ausschließen und stattdessen erneuerbare Energien unterstützen. Gleichzeitig versprechen Investoreninitiativen wie Climate Action 100+, die zusammen dutzende Billionen US-Dollar an Vermögen verwalten, klimaschädliche Unternehmen zur Nachhaltigkeit zu verpflichten.

Die Ursachen für den Nachhaltigkeitswandel in der Finanzindustrie sind laut Experten verschieden. Einerseits führt der drastische Klimawandel und damit einhergehende Naturkatastrophen zu höheren Risiken für viele Unternehmen. Andererseits schränken Regierungen überall auf der Welt schrittweise den Ausstoß von CO2-Emissionen ein, was besonders CO2-intensive Branchen treffen könnte. Schließlich ist auch die Nachfrage nach grünen Finanzprodukten gestiegen, womit sich für Vermögensverwalter neue Geschäftsfelder auftun.

In Öl und Gas investiert

Trotz dieser Gründe und entgegen den Forderungen von Aktivisten und NGOs ist die Finanzindustrie weiterhin groß in CO2-intensiven Branchen wie Öl, Kohle oder Gas investiert. Die weltweit größten Vermögensverwalter wie Blackrock, Vanguard oder State Street haben Schätzungen zufolge mehrere Hundert Milliarden Dollar dort investiert. Dies bietet laut Climate Action 100+ jedoch die Chance, auf die Unternehmen Druck auszuüben und sie zu einem Umdenken zu bewegen. Unter anderem sollen Unternehmen wie Exxon Mobil, BP und Shell Strategien vorlegen, wie sie zur Erfüllung der Ziele aus der Pariser Klimakonferenz von 2015 beitragen können.

Fehlende Informationen

Die ambitionierten Pläne stoßen in der Praxis oft auf Grenzen. "Es fehlt immer noch an genauen Daten und Zahlen, welche finanziellen Risiken durch den Klimawandel entstehen", meint Andreas Dombret, ehemaliger Vorstand der Deutschen Bundesbank und Berater bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Weil die Risiken des Klimawandels oftmals 20 bis 30 Jahre entfernt lägen, würden sie meist außerhalb des Prognosehorizonts der Analysten liegen. Dies betreffe die gesamte Finanzindustrie, besonders aber die Versicherer und Rückversicherer, für die der Klimawandel künftig teuer werden wird.

Die Zahl der Unternehmen, welche sogenannte ESG-Kriterien offenlegen, die ökologische, soziale und Führungsaspekte berücksichtigen, ist in den letzten Jahren zwar gestiegen. Die Qualität der Daten ist laut Kritikern aber immer noch verbesserungswürdig, und nicht immer lassen sie sich vergleichen.

Wenig auf Risiken eingegangen

Unter den 161 Unternehmen, welche von Climate Action 100+ unter Druck gesetzt werden sollen, haben laut der Rechercheplattform Transition Pathway Initiative bisher nur neun Prozent Ziele angegeben, welche mit dem Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens kompatibel sind.

Nicht zuletzt sind Investoren in der Vergangenheit wenig auf Risiken durch den Klimawandel auf Unternehmen eingegangen. Laut einer aktuellen Studie des IMF hatten große Umweltkatastrophen seit 1980 wenig Auswirkungen auf Aktienkurse in den jeweiligen Ländern. Auch fanden die Wissenschafter keinen Zusammenhang zwischen der zukünftigen Anfälligkeit für Umweltkatastrophen und der Bewertung von Wertpapieren.

Nachhaltigkeit hoch im Kurs

Schließlich stellen sich für Vermögensverwalter auch motivatorische Fragen. Börsennotierte Ölkonzerne gehörten lange zu den profitabelsten Unternehmen der Welt. War um die Unternehmen dann dazu bringen, lukrative Geschäftsfelder zu schließen?

Das Thema Nachhaltigkeit ist laut Andreas Dombret in der Finanzindustrie jedenfalls hoch im Kurs. Nicht zuletzt zeichnet sich damit ein riesiger neuer Geschäftsbereich ab. Mit nachhaltigen Fonds sollen Kunden ihr Geld nicht nur ertragreich, sondern auch ethisch und ökologisch anlegen können.

Begriff nicht eindeutig

Aber nicht immer ist klar, was nachhaltig genau heißt. Denn laut Kritikern befinden sich in den Fonds oft auch Aktien von Auto- oder Ölkonzernen. Durch den sogenannten "Best-in-Class"-Ansatz werden die nachhaltigsten Unternehmen einer Branche aufgenommen, worunter aber auch Ölfirmen fallen können.

Bei der Finanzierung einer klimafreundlicheren Wirtschaft gibt es laut EU-Kommission jedenfalls noch viel Luft nach oben. Mehrere Hundert Milliarden Euro müssten dafür jedes Jahr mehr zur Verfügung gestellt werden – ein guter Teil davon aus der Privatwirtschaft. Mit der Taxonomie-Verordnung soll es auf EU-Ebene eine genaue Definition geben, wann eine Investition nachhaltig ist beziehungsweise welche sozialen und ökologischen Kriterien Unternehmen einhalten müssen.

Richtige CO2-Bepreisung

Für einige Experten geht auch die Taxonomie noch nicht weit genug. Stattdessen könnte erst die Einführung einer CO2-Steuer oder die Verbesserung des EU-Emissionshandels größere strukturelle Veränderungen bedeuten. Laut einer aktuellen Studie der Vermögensverwaltung Amundi könnte eine CO2-Steuer, die mit Szenarien unter zwei Grad Erderwärmung kompatibel ist, mittel- und langfristig zu einer deutlich höheren Kreditausfallrate besonders bei Energieversorgern führen.

Langfristig müssten nicht nur Aktivitäten klimaschädlicher Unternehmen, sondern auch solche der Finanzindustrie selbst transparenter werden, fordert Dombret. Das würde auch bei einer wichtigen Unterscheidung helfen: Welche Initiativen sind wirklich nachhaltig, und welche entpuppen sich am Ende als reiner Marketinggag? (Jakob Pallinger, 18.9.2020)