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Bald könnten die Straßen von Madrid wieder leer sein.

Foto: AP/Bernat Armangue

In Madrid steigt die Zahl der Corona -Fälle rasant an. Getan wird trotzdem nichts, so wirkt es zumindest. Denn welche Maßnahmen, wenn überhaupt, die regionale konservativ-liberale Koalition treffen will, ist völlig unklar. Dabei deutete noch am Mittwoch alles auf strengere Auflagen ab dem kommenden Wochenende hin. Dann würden "Maßnahmen in Kraft treten, die auf der Linie dessen liegen, was die Menschen als selektiven Lockdown verstehen können", kündigte Antonio Zapatero, der stellvertretende Gesundheitsminister, an.

Das Ganze hatte allerdings einen Schönheitsfehler. Zapatero hatte Regierungschefin Isabel Díaz Ayuso, die die Ausrufung eines Lockdowns immer wieder verneinte, vor seinem Auftritt nur per Whatsapp-Nachricht informiert. Empört sagte die Konservative ihre allwöchentliche Pressekonferenz ab, um nicht Stellung nehmen zu müssen.

400 Prozent des WHO-Limits

Am Donnerstag traten dann Zapateros Chef, der regionale Gesundheitsminister Enrique Ruiz Escudero und enge Vertraute von Díaz Ayuso vor die Kamera. Sie mahnten die Bevölkerung zur "Ruhe". Von Lockdown war nicht mehr die Rede. Er arbeite "an einem Vorschlag, um Entscheidungen im Sinne einer Einschränkung der Mobilität und einer Verringerung der Aktivität in den Gebieten, in denen wir die größte Covid-Übertragung ausgemacht haben, zu treffen." Was genau das heißen soll, wann es so weit ist und wen es trifft, darauf gab Ruiz Escudero keine Antwort.

Dabei täte schnelles Handeln not. Denn keine andere europäische Region ist dermaßen vom Covid befallen wie Madrid. 178.118 der insgesamt 614.360 spanischen Covid-Fälle und 8955 der insgesamt 30.243 Toten waren bisher in Madrid zu verzeichnen. Allein in den letzten sieben Tagen starben in Madrid 124 Covid-Patienten.

Am schlimmsten sieht es in den ärmeren Stadtteilen und Vororten im Süden aus. Hier sind es doppelt bis dreimal so viele neue Fälle wie im Madrider Durchschnitt. Gleichzeitig liegen Teile des reicheren Madrider Nordens unter dem spanischen Schnitt.

Spitäler könnten kollabieren

Das Gesundheitspersonal warnt davor, dass die Madrider Krankenhäuser wie Ende März, Anfang April einmal mehr kollabieren könnten. 40 Prozent der Intensivbetten sind schon wieder belegt.

Die hohen Covid-Zahlen kommen nicht von ungefähr. Es fehlt an Personal zur Kontaktverfolgung, und es fehlt an ärztlicher Grundversorgung. Personal aus den Gesundheitszentren in den Stadtteilen und Dörfern wurden im April für Aufgaben rund um Covid abgezogen. Über 70 Zen t ren mussten deshalb schließen. Die versprochenen Neueinstellungen blieben aus. (Reiner Wandler aus Madrid, 17.9.2020)