Bild nicht mehr verfügbar.

Kevin Reza bei der Tour de France.
Foto: REUTERS

Champagnole – Kevin Rezas großes Problem ist es, Kevin Reza zu sein. Und nicht etwa Lewis Hamilton, Naomi Osaka oder LeBron James. "Ich bin im Moment alleine, das ist ein Fakt", sagt der einzige schwarze Radprofi im weißen Feld der Tour de France, der so gerne ein fahrender Botschafter der "Black Lives Matter"-Bewegung wäre: "Ich bewundere, was Stars anderer Sportarten machen. Und ich wäre auch bereit. Aber ich weiß nicht, ob der Radsport bereit wäre. Und ich will diesen Kampf nicht alleine führen."

Formel 1, NBA, US Open – jedes große Sportereignis dieser Tage ist auch von "BLM", von Protesten schwarzer Athleten gegen rassistische Unterdrückung und Gewalt geprägt. Bei der Tour de France allerdings, dem größten verbliebenen Sportereignis, in einem Land mit einem schwarzen Bevölkerungsanteil von mindestens 3,5 Prozent – circa zwei Millionen Menschen – ist das Thema hingegen quasi nicht existent.

Suche nach Solidarität

Dabei würde es Reza, der für das unterklassige B&B-Team fährt, verdienen, in seinem Heimatland gehört zu werden. Der 32-Jährige, geboren in Versailles und Sohn von Eltern von der Karibikinsel Guadeloupe, ist, obwohl schon lange dabei, immer noch eine Randfigur, im Profiradsport generell wie bei der Tour.

Ein harter Arbeiter, solide, loyal ist er, aber keiner der französischen Volkshelden seiner Generation wie die Pinots, Alaphilippes und Bardets. Auch die Popularität des BLM-Wortführers Hamilton, der in der Formel 1 ebenfalls ein Unicum ist, fehlt dem nicht allzu erfolgreichen Reza, seine Stimme, die er natürlich erheben könnte, wäre eine unter vielen.

Damit könnte Reza leben, es zieht ihn sportlich nicht mehr in den Vordergrund. Doch seine eigenen Erfahrungen als Schwarzer in einer hauptsächlich weißen Sportart haben ihn ein Stück weit resignieren lassen. "In der NFL, der NBA oder anderen Sportarten sind Schwarze nicht so sehr in der Minderheit. Oder überhaupt keine Minderheit", sagte Reza dem Internetportal cyclingnews: "Da ist es deutlich leichter, die nötige Solidarität zu erhalten."

Weiße Tour de France

Keine (Sommer-)Sportart von derartiger Bedeutung ist ethnisch so wenig bunt wie der Profiradsport. Sämtliche Tour-de-France-Gewinner, sämtliche Etappensieger des größten Rennens der Welt – kein Schwarzer unter ihnen. Erst 2011, nach 108 Jahren, nahm erstmals im Franzosen Yohann Gene ein Schwarzer an der Tour teil. Bis heute sind Fahrer wie Gene und Reza Ausnahme-Erscheinungen. Solche, die sich mehr Rückhalt wünschen.

"Es gibt keine große Solidarität im Radsport. Das ist keine Kritik, sondern nur eine Beobachtung", sagt Reza über die Erfahrungen, die er nach einschneidenden Erlebnisse machte. Bei der Tour de France 2014 war er vom Schweizer Michael Albasini, bei der Tour de Romandie 2017 vom Italiener Gianni Moscon rassistisch beschimpft worden. Zwar meldeten sich danach einige Fahrer kritisch zu Wort, letzten Endes hatten die Fälle aber keine großen Folgen. Vor allem aber vermisste Reza Rückhalt.

"Meine engsten Freunde im Feld sind zwar zu mir gekommen, aber generell? Nein, ich habe keine größere Solidarität erfahren, welche die Aufmerksamkeit auf das Geschehene gelenkt hätte", sagt er. Der Radsport darf dies getrost als Mahnung verstehen. (sid, 18.9.2020)