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Eine Corona-Infektion kann ganz unterschiedlich verlaufen. DER STANDARD hat die Geschichte sieben Betroffener aufgeschrieben.

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Das eine sind die nackten Zahlen auf den Dashboards, die Kurven und Statistiken. Jene Grafiken, die dem ganzen Land zunehmend Sorge bereiten und dazu führen, dass Maßnahmen weiter verschärft werden.

Das andere aber sind die persönlichen Erfahrungen, Beschwerden und Folgen, die mit einer Erkrankung an Covid-19 verbunden sind. DER STANDARD hat daher sieben Betroffene gebeten, von ihren Krankheitsverläufen zu erzählen. Diese Personen (ihre vollständigen Namen sind der Redaktion bekannt) sind nicht repräsentativ für jene über 38.000 in Österreich (Stand: 4.10.), die eine nachgewiesene Covid-19-Infektion überstanden haben.

Aber sie weisen doch auf einige typische Eigenschaften der Erkrankung und ihrer Begleiterscheinungen hin: auf die sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufe, auf die Einsamkeit während der "Absonderung", aber auch auf die unangenehmen Langzeitfolgen, die auch leichte und mittelschwere Infektionen haben können.

Darüber weiß die Forschung nach wie vor nur sehr wenig. Und die nackten Zahlen und Statistiken geben darüber ebenfalls keine Auskunft. Daher erzählen an dieser Stelle die Personen hinter den Zahlen von ihren ganz persönlichen Erlebnissen.

"So gut hat Gemüsebrühe noch nie geschmeckt."

Cristan, 47

Mein Vater hat Anfang März seinen 70er gefeiert, da gab es ein Familienfest. Corona war da zwar schon bekannt, aber in Österreich nicht präsent. Zwei Wochen später, an einem Freitag, wurde ich krank. Am Vormittag war ich noch am Rechner, und zu Mittag habe ich Müdigkeit verspürt, da war ich dann schon bei 39,3 Grad Fieber. Am Sonntag darauf erfuhr ich, dass jemand von der Feier im Krankenhaus positiv getestet wurde. Also sagte ich am Montag dem Arzt, ich hätte Kontakt mit einer Corona-Positiven gehabt, 24 Stunden später hatte ich das Resultat.

In der Folge sind immer mehr Leute aus dieser Runde erkrankt, zum Schluss waren es acht von 30. Darunter auch mein Vater, der als Lungenkrebs-, Zucker- und COPD-Patient gleich mehrfach in der Risikogruppe war. Der meinte, das Einzige, was ihm aufgefallen ist, war, dass er etwas mehr geniest hat als sonst, sonst hatte er keinerlei Symptome. Ein anderer, der ist über 40, meinte, es gab Tage im Krankenhaus, da dachte er, er komme da nicht mehr raus.

Ich hatte Glück. Ich hatte nur eine Woche lang hohes Fieber und Kopfschmerzen. Ich habe sieben Kilo verloren, weil ich nichts gegessen habe. Nach zehn Tagen habe ich eine Gemüsebrühe gegessen, und so gut wie an dem Tag hat noch nie eine Gemüsebrühe geschmeckt.

Jetzt habe ich eine Maske, auf der steht: "I survived Corona." Das trage ich progressiv in die Welt hinaus.

"Man sagt, ich hätte die Statistik versaut."

Matthias, 23

Ich war einer der Ersten, die in Tirol positiv getestet wurden. Da war alles noch ziemlich unsicher, wie man sich verhalten muss, wie der genaue Ablauf ist, was die Richtlinien sind. Man war sich dessen nicht bewusst, es war nicht in den Köpfen der Menschen. Da war auch viel Sorge dabei, Sorge um die Menschen, die man getroffen hat. Und Angst, dass man wen angesteckt hat; ich war mit älteren Menschen unterwegs, habe Zeitungen verteilt.

Und am Anfang war es eigentlich eine stressige Zeit. Ich war ja krank und erschöpft, musste aber trotzdem viel machen, ich war mit den Eltern in Kontakt, mit vielen Freunden und auch mit flüchtigen Bekanntschaften, die davon erfahren haben. Dann hat sich das beruhigt, dann war das wie die Grippe, und ich bin dahinvegetiert wie Gemüse auf dem Komposthaufen.

Mit meinem Mitbewohner, das war eine prekäre Sache. Wir mussten uns zeitlich und räumlich trennen. Wir haben uns nur am Flur gesehen und wenn ich aufs Klo musste, dann musste ich mit Handschuhen und Maske aufs Klo. Es war komisch, ich war ja der Erste, der in Heimquarantäne war, da gab es noch keine Leitfäden.

Nach kurzer Zeit ging das Leben dann aber normal weiter, krankheitsbedingt hat sich nicht viel verändert. Außer dass mich viele noch darauf ansprechen, vor allem daheim im Dorf in Südtirol. Dort bin ich der Einzige, der es hatte, da sagt man, ich hätte die Statistik versaut.

"Das hat mein Leben stark verändert."

Eva, 53

"Wie es zur Ansteckung kam, ist nicht ganz klar. Am wahrscheinlichsten ist, dass es am 11. März passierte, bei einer Besprechung mit einem Drehbuchautor, der gerade aus Ischgl kam –gerade als Ischgl wegen Corona in die Medien kam. Fünf Tage später hatte ich die ersten Symptome, aber ich hätte nie gedacht, dass das Covid-19 sein könnte. Zumal ich kein Fieber hatte. Weitere fünf Tage später habe ich dann plötzlich nichts mehr gerochen und geschmeckt. Dazu hatte ich Atemnot und wahnsinnige Kopfschmerzen.

Ich rief bei der Hotline 1450 an, wurde getestet und bekam einen "Absonderungsbescheid". Schlimm war, dass ich nicht zum Arzt gehen konnte und allein zu Hause war. Meine Apothekerin hat mir Kopfschmerztabletten vor die Tür gelegt. Ich habe mich auf Facebook bei ihr für ihre Betreuung bedankt und kriegte daraufhin unglaublich viele Reaktionen. Für viele war ich die erste erkrankte Person, die sie kannten. Als die Corona-Verschwörungspostings begannen, war das mit Atemnot noch schwerer zu ertragen als ohne.

Manchmal fühlte ich mich besser, am nächsten Tag wiederum war ich komplett erschöpft. Die Erkrankung kommt und geht in Wellen. Nach drei Wochen waren die schlimmeren Symptome vorbei. Ich konnte aber noch monatelang danach keinen Sport machen, weil ich dafür zu müde und schwach war. Bis heute ist mein Geruchs- und Geschmackssinn stark eingeschränkt.

Die Langzeitfolgen von leichten und mittelschweren Verläufen wie dem meinen sind ja noch kaum erforscht, Covid-19 betrifft nicht nur "die Alten" und ist deutlich aggressiver, als zu Beginn bekannt war. Deshalb rede ich darüber und finde es so wichtig, die Schutzmaßnahmen nicht als lästige Pflicht zu sehen, sondern als Schutz für uns alle, sich nicht mit einer Krankheit anzustecken, von der wir überhaupt nicht wissen, was sie als Langzeitfolgen mit unseren Organen und unserem Organismus macht.

Dass mein Geruchs- und Geschmackssinn immer noch nicht wiedergekehrt ist, hat mein Leben stark verändert und ist nicht nur unangenehm, sondern eine reale Behinderung. Das wurde mir klar, als ich mich entschloss, an einer AKH-Studie zu den Langzeitfolgen von Covid-19 teilzunehmen. Als ich dem zuständigen Arzt von meinen Beeinträchtigungen erzählte, hatte er zwei Ratschläge für mich: "Kaufen Sie sich einen Rauchmelder", sagte er zu mir, "und werfen Sie die Lebensmittel im Kühlschrank weg, wenn sie das Ablaufdatum überschritten haben."

"Meine Tochter wurde sogar von einem Geburtstag ausgeladen."

Laura, 32

Im März, das war für mich rückblickend schon eine rätselhafte Sache. Da hatte ich das erste Mal den Gedanken, vielleicht ist das Corona, denn ich habe fünf Tage durchgehend gehustet, hatte 40 Grad Fieber, konnte nicht essen. Eine Freundin hat sogar die Rettung gerufen. Zehn Tage später ließ der Notarzt mich testen, aber der Test war negativ.

Als ich endlich wieder gesund war, bekam ich im Juli extrem starke Kopfschmerzen, dann auch Fieber und Husten. Meine Chefin sagte, ich soll diese Nummer, 1450, anrufen, noch am selben Tag kamen sie. Da war die Überraschung groß, weil ich positiv war.

Ich bin geschieden und habe zwei Kinder, die betreuen wir 50:50. Am Tag vor dem Test hat meine Tochter mich so vermisst, dass ich sie abgeholt habe, da dachte ich noch, ich hätte nur Migräne. Sie war die Einzige, die ich angesteckt habe. Der ging's supergut, das einzig Blöde war, dass wir uns insgesamt einen Monat lang nicht sehen konnten.

Was ich jetzt merke, ist, dass sich manche Freunde noch immer nicht mit mir treffen wollen. Die haben Angst, dass ich noch ansteckend bin, oder auch Angst, dass meine Tochter noch ansteckend ist. Sie wurde sogar von einem Geburtstag ausgeladen, obwohl wir schon seit 10. August nicht mehr in Quarantäne sind. Damit hätte ich nicht gerechnet. Wenn du eine Grippe hast, und du bist wieder gesund und triffst jemanden, dann fragt dich auch niemand: "He, bist du eh nicht mehr ansteckend?" Oder?

"Es war schlimmer als die schlimmste Grippe."

Anna*, 53

Ich war vom 4. bis 8. März auf Skiurlaub in St. Anton am Arlberg. Damals waren in Österreich nur zwei Corona-Fälle in Innsbruck offiziell bekannt. Am Sonntag fuhr ich nach Hause, am Montag fühlte ich mich nicht wohl und ging dann auch nicht arbeiten, was sich im Nachhinein als Glücksfall herausstellte. Denn ich bin Physiotherapeutin und betreue ambulant Hochrisikopatienten. Hätte ich da jemanden angesteckt, wäre es vermutlich zu Todesfällen gekommen.

Am Abend habe dann ich Kopfschmerzen, Fieber und Gliederschmerzen bekommen und hatte am nächsten Morgen den Verdacht, dass es Corona sein könnte. Also rief ich 1450 an, und dort gab man mir die Auskunft, dass der Arlberg kein Hochrisikogebiet ist und man mich deshalb auch nicht testen müsse. Es wurde dann aber immer schlimmer, ich bekam fast 40 Grad Fieber, und mein Mann brachte mich zum Hausarzt, der mir Blut abnahm und erhöhte Entzündungswerte feststellte.

An dem Tag wurde auch bekannt, dass es eine infizierte Person in St. Anton gegeben hat. Aus eigenen Recherchen und Telefonaten mit dem Gemeindeamt in St. Anton erfuhr ich schließlich, dass der Wirt jener Hütte, wo auch ich gewesen bin, wegen Corona auf der Intensivstation im künstlichen Tiefschlaf liegt. Dass ich das alles erst selbst mühsam erfragen musste und damals viele Dinge in Tirol vertuscht und nicht kommuniziert wurden, hat mich im Nachhinein sehr geärgert.

Mit dieser selbstrecherchierten Information wurde ich dann letztlich auch nach einem weiteren Anruf bei 1450 getestet. Der Test war positiv, weshalb dann auch die Praxis des Hausarztes geschlossen wurde, aber zum Glück hatte ich niemanden angesteckt. Meine deutsche Freundin, die mit in St. Anton war und ebenfalls Physiotherapeutin ist, hatte nur leichte Symptome, aber sie hat vier Personen angesteckt.

Ich war fünf Tage lang sehr krank, das war schlimmer als die schlimmste Grippe, die ich je gehabt habe. Danach hatte ich auch einen Geruchs- und Geschmacksverlust, der sechs Wochen anhielt. Was auch erst später kam, war plötzliche Atemnot. Beim ersten Mal wurde ich mit der Rettung ins Krankenhaus eingeliefert. Ich war dann auch auf der Lungenstation, aber da wurde nur festgestellt, dass ich bei Belastung einen verminderten Gasaustausch habe. Diese akute Atemnot kommt immer wieder aus heiterem Himmel. Aber mittlerweile habe ich gelernt, damit umzugehen.

"Es war ein einsamer Monat da oben."

Christian, 33

Bevor ich krank geworden bin, waren meine Eltern zu Besuch. Und die waren vorher in Italien, da gab es aber noch keine Lockdowns. Wir haben trotzdem aufgepasst, die Häferl gleich in den Geschirrspüler gegeben, uns nicht nebeneinander gesetzt und die Hände gewaschen.

Zwei Wochen später wachte ich um 7 Uhr auf und fühlte mich total elend, im Bett habe ich dann noch Fieber gemessen. Durch das Piepsen ist meine schwangere Frau aufgewacht, und ich habe gesagt: "Ich hab' 38 Grad Fieber." Sie hat kein Wort gesagt, ihren Polster genommen und ist ins Gästezimmer gegangen. Rückwirkend war das sehr intelligent, weil sie es geschafft hat, sich nicht anzustecken.

Wir haben dann geschaut, dass wir so wenig Interaktion wie möglich haben. Sie hat mir Obstteller und Mittagessen vor die Tür gestellt, sonst war ich nur im oberen Stock, sie nur im unteren. Es war ein einsamer Monat da oben.

Mein Vater und ich haben beide durch einen Antikörpertest erfahren, dass wir die Krankheit hatten. Er hat es gut weggesteckt, aber war trotzdem so angeschlagen, dass er eine Lungenentzündung bekommen hat. Als Überträger schließe ich übrigens unseren Hund nicht aus, weil der sehr gern schleckend begrüßt. Vielleicht hatten meine Eltern das auf der Haut und der Kleidung, und der Hund hat erst sie und dann mich abgeschleckt. Vielleicht war unser lieber kleiner Corgi schuld.

"Der Fitteste von uns kam auf die Intensivstation."

Michael, 53

"Vermutlich habe ich mich am Samstag, dem 7. März angesteckt. Passiert ist das beim Skiurlaub in St. Anton am Arlberg, den ich mit zwei Freunden und meinem Bruder verbrachte. Am darauffolgenden Mittwoch hatte mein Bruder in der Früh 39,6 Grad Fieber und fuhr sofort nach Hause, um sich in Selbstquarantäne zu begeben. Zunächst hatten meine Freunde und ich keine Symptome. Wir reisten – einen Tag früher als geplant – am Freitag, dem 13. März um 11 Uhr ab, wenige Stunden bevor die Quarantäne über St. Anton verhängt wurde. Während der Heimfahrt bekamen wir dann plötzlich Reizhusten, Hals- und Kopfschmerzen und abends zu Hause erhöhte Temperatur. Zu viert sind wir am Arlberg gesund angekommen und alle vier krank zurückgekehrt. Zu Hause haben sich dann auch noch die Frauen der beiden Freunde und des Bruders angesteckt.

Ich wurde drei Tage nach meiner Rückkehr getestet und hatte Atem- und Lungenbeschwerden, die zehn Tage lang anhielten. Die Medikamente, die mir der Lungenfacharzt verschrieb, machten die Beschwerden vorerst nur noch schlimmer. Erst als ich diese absetzte, ging es mir dann langsam besser. Ich musste zum Glück nicht ins Spital, doch der Freund, der mit mir im Auto heimgekehrt und eigentlich der fitteste Skifahrer unserer Gruppe war, lag auf der Intensivstation und war knapp davor, an die Beatmungsmaschine angeschlossen zu werden.

Als wir dann während unserer akuten Erkrankungen aus den Medien erfahren mussten, dass die Behörden in Tirol alles richtig gemacht haben, war das für mich schon sehr befremdlich. Natürlich war die Situation damals für alle neu. Aber es war offensichtlich, dass man in den betroffenen Orten bis zur letzten Sekunde Profit machen wollte und die Lokale und Après-Ski-Bars bis zum letztmöglichen Zeitpunkt offen hielt.

Ich habe zum Glück keine Spätfolgen der Erkrankung. Der Freund, den es am schwersten erwischte, hat bis heute einen Schatten auf einem Lungenflügel, und man weiß nicht, ob er sich wieder regeneriert. Der Internist konnte ihm letzte Woche immerhin bestätigen, dass sein Herz in Ordnung ist. Die Frauen der beiden Freunde hatten sehr milde Verläufe, aber sie haben eigenartigerweise beim Sport Atemprobleme beziehungsweise Leistungsabfälle beim Joggen und Radfahren.

Weil wir große Skifans sind, haben wir für den kommenden Winter wieder je eine Woche in Kitzbühel und am Arlberg geplant. Dass es Après-Ski nicht mehr geben wird, macht uns nichts aus. Das Einzige, auf das wir uns wieder sehr freuen, ist, überhaupt wieder Ski zu fahren!" (Gabriele Scherndl, Klaus Taschwer, 2.10.2020)