Michael Niavaranis Globe Theater bietet normalerweise 1450 Plätze, ab sofort versucht man es mit 580.

Jan Frankl

Als die Corona-Krise den Kulturbetrieb erfasste, hielten sich die Kabarettisten lange zurück. Gebettel um Subvention ist der auf ihre Unabhängigkeit bedachten Szene ein Graus. Erst als die Politik säumig wurde und versprochene Hilfen nicht einlangten, meldeten sie sich lautstark zu Wort – und siehe da, seither kam einiges in Bewegung.

Das argumentative Gewicht, das ein paar TV-Auftritte und vielgeteilte Social-Media-Postings von Publikumslieblingen wie Lukas Resetarits haben können, ist groß. Kein Politiker des Landes, in welchem das Kabarettistische in vielen Bereichen (auch den unangebrachten wie der Politik selbst) so vordringlich ist, will es sich leisten, bei den humoristischen Reichweitenkönigen und Meinungsbildern vollends unten durch zu sein.

Im Gegensatz zu den allermeisten Schauspiel- und Opernhäusern war das Kabarett seit Jahrzehnten kommerziell zu erfolgreich, um auf öffentliche Subventionen angewiesen zu sein. Die Politik nahm das dankbar hin. Die Corona-Krise aber gefährdet das in der Szene gültige Generationensystem, wonach die viel Geld einspielenden Stars dem kabarettistischen Nachwuchs die Auftritte sichern.

Zwei Initiativen, die IG Kabarett und ein Zusammenschluss der Wiener Kabarettbühnen, gründeten sich in dieser Existenzkrise, um bei der Politik zu lobbyieren. Mit Erfolg, denn nahezu zeitgleich verkündeten die Stadt Wien sowie der Bund kürzlich, das Kabarettfach erstmals mit üppigen Sonderdotierungen zu fördern. Die Stadt Wien lässt drei Millionen Euro für neun Bühnen springen – einstimmig im Kulturausschuss verabschiedet, fehlt nur noch der Gemeinderatsbeschluss. Vom Bund gibt es einen Topf von 250.000 Euro bis 2021 für Auftritte von Nachwuchskabarettisten, die sich bei einer Jury bewerben müssen.

Entspannung frühestens Sommer 2021

Bei Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) ortet die Szene ehrliches Interesse am Kabarett und nicht bloß taktisches Gönnertum im Vorfeld der Wien-Wahl. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) begrüßt die Wiener Initiative und lobt die "gemeinsame" Kraftanstrengung. Was aber machen die Bühnen mit dem plötzlichen Subventionsregen?

Kurz gesagt: nichts anderes als sonst auch, nämlich spielen, Auftritte ermöglichen. "Wir schauen, dass wir die Häuser durch die nächste schwere Zeit bringen. Wir müssen auch nicht alles 2020 verbrauchen, sondern können Teile bis 2021 mitnehmen", sagt Andreas Fuderer, Betreiber des Stadtsaals und der Kleinbühne Kabarett Niedermair. Mit einer Entspannung der Situation rechnet er frühestens im Sommer 2021. Die Subvention der Stadt sei daran gekoppelt, "dass wir keine Gewinne machen dürfen. Der Gedanke ist, dass uns einmalig geholfen wird. Wir gehen davon aus, dass es irgendwann wieder normal wird, und wir sind dann stolz und froh, dass wir das nicht mehr in Anspruch nehmen müssen."

25 Prozent des normal Üblichen

Fuderer rechnet aktuell mit einer Nachfrage von 25 Prozent des normal Üblichen. Jemand wie Klaus Eckel spiele dann vor 100 Leuten und nicht 400, im Niedermair sei man teilweise bei einstelligen Besucherzahlen angelangt. Den Vorverkauf wolle man derzeit nur für 250 Personen öffnen und könne kurzfristig, wenn die Situation es zulässt, noch aufstocken. Das sei besser, als mehr Karten zu verkaufen, die dann eventuell abgesagt werden müssen.

Im Globe Theater von Michael Niavarani und Georg Hoanzl plant man ähnlich, nur in größeren Dimensionen: 1450 Personen passen normalerweise in die Spielstätte in der Eventhalle St. Marx. Aktuell haben nur 580 Leute Platz, und für deren Sicherheit werde man groß umbauen: Jede zweite Sitzreihe wird herausgenommen, zwischen den Plätzen werden Tische eingeschoben, man setzt auf eine gute Klimaanlage und die 17 Meter hohe Decke der alten Schlachthofhalle.

Inhaltlich wird es weitergehen wie bei Theater im Belvedere-Park, das Hoanzl und Niavarani im Freiluft-Sommer aus der Not geboren haben. 90.000 Besucher verzeichnete das Festival, erst jetzt im September sei man beim "Break-even" angelangt und könne sagen, das Risiko sei es wert gewesen, so Georg Hoanzl. Bei einem Minus von 2,5 Millionen Euro, das die Wiener Kabaretttheater bislang schultern musste, verfällt er zwar trotzdem nicht in Jubel, Theater im Park aber wolle man auch in Zukunft weiterführen.

Die jetzigen Subventionen von Stadt und Bund hält Hoanzl aus zweierlei Gründen für notwendig: sozialpolitisch, "weil an jedem einzelnen Kabarettisten 30 Arbeitsplätze hängen", und kulturpolitisch, weil das Kabarett als Brutstätte der gesamten österreichischen Kultur – aus Film, Literatur, Theater und Musik – nicht wegzudenken sei. (Stefan Weiss, 19.9.2020)