Lega-Kandidatin Susanna Ceccardi hofft auf den Sieg.

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Meist sind italienische Regionalwahlen ein Anlass, über die Regierung in Rom zu spekulieren. Wird sie das Urteil der Wähler überstehen? Diesmal, vor den Urnengängen in Venetien, Toskana, Kampanien, Ligurien, Apulien und in den Marken am Wochenende, ist das nicht der Fall. Premier Giuseppe Conte und seine Koalition aus der Fünf-Sterne-Bewegung und dem sozialdemokratischen PD sitzen derzeit – nicht zuletzt wegen der Covid-19-Pandemie – fest im Sattel. Es käme einem grotesken nationalen Harakiri gleich, eine Regierungskrise anzuzetteln, während sich in Brüssel die EU-Kommission anschickt, an Rom die in Aussicht gestellten 209 Milliarden Euro aus dem Recovery Fund zu überweisen.

Während sich Conte also entspannt zurücklehnen kann, zittern an seiner Stelle aber zwei Parteichefs: Oppositionsführer Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega und Nicola Zingaretti vom PD. Salvini bereitet ausgerechnet Venetien Sorge, wo sein erneut als Regionalpräsident kandidierender Parteifreund Luca Zaia mit 60 bis 70 Prozent der Stimmen wiedergewählt werden dürfte. Salvinis Problem: Die persönliche Liste des populären Zaia kommt in den Umfragen auf dreimal so viele Stimmen wie die offizielle Liste der Lega, auf deren Logo der Name Salvinis steht.

Neue Nahrung für Kritik

Zaia wird innerhalb der Lega seit längerem als idealer Nachfolger Salvinis gehandelt – umso mehr, seitdem fest steht, dass sich der Ex-Innenminister wegen seiner "Politik der geschlossenen Häfen" einem Prozess wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch wird stellen müssen. Ein Glanzresultat Zaias und ein dürftiges Ergebnis der offiziellen Parteiliste würde den Nachfolgediskussionen neue Nahrung liefern.

Zingaretti wiederum fürchtet sich vor der 33-jährigen Europaabgeordneten Susanna Ceccardi. Die Ex-Bürgermeisterin der Kleinstadt Cascina und Kandidatin der Lega liefert sich in der Toskana in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem farblosen und national weitgehend unbekannten Eugenio Giani, dem Kandidaten Zingarettis.

Die Toskana gilt in Italien als rote Hochburg schlechthin: Sie ist seit den ersten Regionalwahlen im Jahr 1970 durchgehend von Kommunisten, Sozialisten oder Sozialdemokraten geführt worden. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Zingaretti im Fall einer Niederlage in dieser Symbol-Region seinen Posten als Parteichef retten könnte. "Ich will Salvini nicht auf der Piazza del Duomo in Florenz feiern sehen", betont der Toskaner Matteo Renzi. Die Botschaft des Ex-Premiers ist unmissverständlich. Ob sie wirkt, ist angesichts seiner Unpopularität fraglich.

Gewählt wird am Wochenende auch in mehreren kleineren und größeren Städten. Besonderes Augenmerk verdient dabei Reggio Calabria: In der mit rund 180.000 Einwohnern bevölkerungsreichsten Stadt im wirtschaftlich abgehängten Kalabrien schickt sich eine Gruppe von parteiunabhängigen Europa-Enthusiasten, Anti-'Ndrangheta-Exponenten und Fachleuten rund um den 41-jährigen Dozenten und Dichter Saverio Pazzano an, die alten Machtkartelle in dieser Stadt aufzubrechen.

Mafia und Müll

Pazzanos Collettivo La Strada hat ein klares, bürgernahes Programm – und könnte von der Schwäche der anderen Parteien profitieren: Reggio Calabria ist während der vergangenen Jahre sowohl von links als auch von rechts miserabel regiert worden. Der erneut kandidierende Mitte-links-Bürgermeister Giuseppe Falcomatà hat – um nur das offensichtlichste Versagen zu erwähnen – zugelassen, dass die Stadt an der Straße von Messina seit Monaten im Müll versinkt; sein rechter Vor-Vorgänger Giuseppe Scopelliti wiederum ist im Zusammenhang mit seiner Amtsführung zu vier Jahren und sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden und sitzt immer noch im Gefängnis.

Die Aussichten auf einen Sieg Pazzanos sind zwar gering, aber bereits ein Achtungserfolg wäre ein Zeichen der Hoffnung – nicht nur für Reggio Calabria, sondern für ganz Süditalien.

In Italien wird auch über ein Referendum zur Bestätigung einer vom Parlament beschlossenen Reform zur Verkleinerung des Parlaments abgestimmt. Dabei zeichnet sich eine niedrige Wahlbeteiligung ab. Um 12.00 Uhr hatten lediglich 12,2 Prozent der 51 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben, teilte das Innenministerium in Rom mit. Für das Referendum wird am Sonntag bis 23.00 Uhr und am Montag von 7.00 bis 15.00 Uhr gewählt. (Dominik Straub aus Rom, 20.9.2020)