Ordinationen sind sicher, heißt es von Hausärztinnen und -ärzten, daher könne man mit und ohne Corona-Verdacht – aber nach vorheriger Anmeldung – in die Praxis kommen.

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Wer sich auf Corona testen lassen will, muss derzeit mit langen Wartezeiten rechnen – auf ein Gespräch mit 1450, auf einen Abstrich und letztlich auch auf das Ergebnis. Schneller würde es gehen, wenn auch Hausärztinnen und Hausärzte Tests durchführen dürften. Viele arbeiten ohnehin mit Laboren zusammen, haben genügend Schutzausrüstung und wollen ihre Patientinnen und Patienten rascher diagnostizieren und behandeln, sagt Susanne Rabady, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Allgemeinmedizin.

Bisher wurde Menschen mit Symptomen geraten, in keinem Fall zum Arzt zu gehen. Das müsse sich wieder ändern, "wir müssen raus aus dem Krisenmodus und wieder rein in eine normale Behandlung der Patienten", sagt Rabady, die in ihrer Ordination auch Menschen mit Erkältungssymptomen untersucht: "Wie soll ich sonst herausfinden, ob sie einen Test brauchen, oder einen schweren Verlauf ausschließen?", sagt die Medizinerin.

Die meisten Hausärztinnen und Hausärzte hätten mittlerweile ausreichend Schutzkleidung, um Tests vor Ort durchzuführen. Hier müsse es "klipp und klar eine funktionierende Nachschublogistik geben", sagt Rabady. Notwendig seien FFP2-Schutzmasken, Schürzen, Handschuhe sowie Brillen. Der medizinische Betrieb habe mittlerweile so viel Übung mit diesen Schutzmaßnahmen, "dass wirklich keine Gefährdung von Arztpraxen ausgeht", so die Medizinerin.

Rasch zuweisen

Und auch wenn Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner nicht selbst testen, müssen sie simpel und rasch zu einer Testung zuweisen können – "nicht über 1450 mit langen Wartezeiten", so die Ärztin, die auf die baldige Verfügbarkeit der Antigen-Schnelltests wartet, mit denen das Ergebnis in kurzer Zeit und ohne Labor festgestellt werden kann – "das würde die Bürokratie massiv reduzieren, ebenso wie Quarantänetage", so Rabady.

Viele Menschen mit Erkältungssymptomen wenden sich schon jetzt zuallererst an ihren Hausarzt, weil sie unsicher sind, was zu tun ist, oder weil sie bei 1450 lange warten müssen, weiß auch der Allgemeinmediziner Wolfgang Mückstein von der Gruppenpraxis Medizin Mariahilf. "Ohne Testungen bei den Hausärzten wird es im Herbst und Winter nicht gehen, 1450 kann die Triage nicht alleine durchführen", sagt auch Mückstein. Alleine an einem Vormittag kommen derzeit 80 Patientinnen und Patienten in die Ordination, die per Definition ein Corona-Verdachtsfall wären, so der Mediziner. Bei rund fünf Prozent erhärte sich später der Verdacht.

Die Gruppenpraxis arbeitet mit der Med-Uni Wien zusammen und führt schon jetzt Corona-Tests durch. Getestet werden jene, bei denen der Verdacht am stärksten ist. Patienten mit nur leichten Symptomen werden aber immer wieder auch ohne Test nach Hause geschickt. "Natürlich sind sie krankgeschrieben, und sie sollen sich jederzeit melden, wenn sich ihr Zustand verändert", sagt Mückstein. Er weiß, dass es in Österreich ausreichend Testkapazitäten in Laboren gibt – das Problem sei lediglich, wie sie an die Proben kommen. Besuchen Blaulichtorganisation die Verdachtsfälle daheim, könne ein Trupp höchstens drei Abstriche pro Stunde machen, so Mückstein. Die Hausärzte könnten hier mithelfen.

Einer von zehn

Auch Rabady führt in ihrer Waldviertler Ordination bereits Corona-Tests durch. Von allen Patienten mit Symptomen habe sich in der vergangenen Woche einer von zehn tatsächlich als Corona-Fall herausgestellt. "Wir testen fast alle unserer Patienten mit entsprechenden Symptomen, außer es gibt eine andere, sichere Erklärung oder Diagnose", so die Medizinerin. Die restlichen Patientinnen und Patienten würden dennoch krankgeschrieben und bekommen ebenfalls den Auftrag, die Ordination über ihren Zustand auf dem Laufenden zu halten.

Werden Tests in Arztpraxen durchgeführt, brauche es zumindest einen zweiten Raum oder spezielle Ordinationszeiten für Verdachtsfälle, sagt Mückstein. Natürlich sei das ein Zeit- und Dokumentationsaufwand – "aber das sind die Tests des Roten Kreuzes auch", so der Mediziner.

In der Standesvertretung der Ärzteschaft hat man sich in puncto Tests in den Ordinationen bislang skeptisch gezeigt, vor allem bezüglich der Sicherheit der Medizinerinnen und Mediziner gab es Bedenken und auch wegen der noch ungeklärten Finanzierung. Nun begrüßt auch die Ärztekammer diesen Weg.

Gespräche mit der ÖGK

Ebenso wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Er sprach sich im Interview mit dem STANDARD dafür aus und kündigte an, einen entsprechenden Antrag kommende Woche im Nationalrat einbringen zu wollen. Laut dem Gesundheitsministerium gibt es bereits Gespräche mit der Gesundheitskasse, die Kosten solle der Bund übernehmen.

"Es ist wichtig, dass die Kostenfrage dazu rasch gelöst wird", sagte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres am Freitag. Das derzeitige System mit der Hotline 1450 sei überlastet und schaffe es nicht, in vernünftig kurzer Zeit Abstriche bei Verdachtsfällen durchzuführen, ergänzt Edgar Wutscher, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin der Ärztekammer. Sicherheitsvorkehrungen seien aber notwendig. "Potenziell infektiöse Patienten sollen nicht unangemeldet in die Ordinationen kommen, sondern zuerst telefonisch ihren Vertrauensarzt kontaktieren", so Wutscher.

Dass das schon funktioniert, bestätigt Rabady: "Wir haben viele fantastische Erfahrungen gemacht mit den Patientinnen und Patienten", sagt sie und meint, dass diese sich nun genau an Termine halten, anrufen, bevor sie in die Ordination kommen, und Hygienemaßnahmen beachten.

Einen Arzt sehen dürfen

Rabady plädiert auch für eine Entstigmatisierung von Corona und erzählt von Patienten, die am Telefon einen anderen Grund nennen, warum sie in die Ordination kommen möchten. "Dann sitzen sie da und sagen erst, dass sie Halsweh haben. Das muss sich ändern. Die Menschen sollen sich wieder trauen zu sagen, welche Symptome sie haben, und sich darauf verlassen können, dass sie trotzdem einen Arzt sehen dürfen", so die Ärztin.

Es sei letztlich auch deshalb wichtig, Patientinnen und Patienten regelmäßig in der Ordination zu sehen, weil es immer noch viele andere Erkrankungen gibt, die somit nicht übersehen werden, sagt Rabady: "Wir wollen schließlich nicht, dass der Wasserschaden den Feuerschaden übertrifft." (Bernadette Redl, 18.9.2020)