Als der STANDARD Irene Fuhrmann erreicht, ist sie ein bisschen müde, gesteht sie. Vor ihrem ersten Lehrgang als Teamchefin standen zig Medientermine im Kalender der 39-Jährigen. Am 22. September spielt das österreichische Frauennationalteam auswärts in Kasachstan um den fünften Sieg im fünften Spiel der laufenden Qualifikation zur Euro 2022.

"Am spannendsten wäre es, sich mit den konträrsten Charakteren zusammenzusetzen."
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STANDARD: Ihr erstes Pflichtspiel als Teamchefin steht an, und Ihr Terminkalender ist auch voll mit Mediengesprächen. Feig gefragt: Gibt es Fragen, die schon nerven?

Fuhrmann: Nein, aber ich wünsche mir, dass es in Zukunft mehr um sportliche Dinge geht. Dadurch, dass ich die erste Frau in dieser Position bin, zielt aktuell vieles in den Genderbereich ab. Das ist nicht mein Kompetenzbereich. Ich bin Fußballtrainerin. Aber es ist in Ordnung, weil uns jede Aufmerksamkeit und jede mediale Präsenz hilft, um im Blickfeld der Leute zu bleiben.

STANDARD: Die Aufmerksamkeit war vor allem während und nach der Euro 2017 mit dem dritten Platz da, ist dann aber wieder abgeflacht.

Fuhrmann: Das ist ein ganz normaler Prozess und hat gar nicht unbedingt mit Frauenfußball zu tun. Wenn zum Beispiel eine Handball-EM im Land ist oder Österreich mitspielt, dann nehme ich als Leser Handball ganz anders wahr. Darum wäre es so wichtig für uns, dass wir uns wieder für eine Europameisterschaft oder sogar eine Weltmeisterschaft qualifizieren. Es ist normal, dass es abflacht.

STANDARD: Was waren die unmittelbaren Auswirkungen?

Fuhrmann: Wenn ich mir unsere Liga anschaue, dann wäre es vor der EM undenkbar gewesen, dass wir da einen Hauptsponsor an Land ziehen. Planet Pure hat trotz der wirtschaftlichen Situation verlängert. Auch der ORF ist dabeigeblieben und überträgt neben dem Nationalteam auch Bundesligaspiele.

STANDARD: Sieben internationale Verbände haben die Preisgelder der Frauenteams an die der Männer angeglichen. Dauert das alles zu lange?

Fuhrmann: Natürlich soll jede Frau dasselbe verdienen wie ein Mann, nicht nur im Sport. Das ist das Ziel, es ist aber auch ein Entwicklungsprozess. Derzeit ist das Gefälle beim Zuschauerinteresse noch sehr groß. Da ist es verständlich, dass die Zahlen unterschiedlich sind. Irgendwoher muss das Geld ja kommen.

STANDARD: Die Weltmeisterinnen aus den USA sind vorerst juristisch gescheitert, die Preisgelder anzugleichen. Ein schlechtes Zeichen oder erwartbar?

Fuhrmann: Gerade in den USA wundert mich das sehr, da der Fußball dort ja eher weiblich ist.

STANDARD: Haben Sie dieselben Konditionen in Ihrem Vertrag wie Ihr Vorgänger Dominik Thalhammer?

Fuhrmann: Ich weiß nicht, welche Konditionen er hatte. Ich gehe aber nicht davon aus, er war deutlich erfahrener und älter. Aber das ist für mich auch nicht ausschlaggebend. Mir ist vor allem wichtig gewesen, dass ich mir meinen eigenen Betreuerstab zusammenstellen kann und mir niemand vor die Nase gesetzt wurde.

STANDARD: Was war Ihnen bei der Auswahl Ihres Betreuerstabs wichtig?

Fuhrmann: Dass die Personen nicht nur fachlich, sondern auch zwischenmenschlich passen. Einen Choleriker will ich mir nicht reinsetzen. Ich habe mir schon Tipps von außen eingeholt, aber die Auswahl habe ich getroffen.

STANDARD: Wie würden Sie sich selbst als Trainerin einordnen? Sind Sie nah an den Spielerinnen dran oder eine distanzierte Chefin?

Fuhrmann: Die Mischung macht es aus. Ich hatte schon in meiner vorherigen Funktion als Co-Trainerin eine professionelle Distanz zu den Spielerinnen. Das Klischee ist ja oft: "Der Co-Trainer ist der Draht zur Mannschaft." Das kann man aber auch haben, ohne dabei zu nahe dran zu sein. Ich bin von Haus aus nicht der Typ, der so nah sein muss, aber ich glaube auch, dass die menschliche Führung ein großer Bestandteil meiner Herangehensweise sein muss.

STANDARD: Die größten zwei Vereine Österreichs, Rapid und Salzburg, haben 2020 noch immer kein Frauenteam. Ist das ein Problem?

Fuhrmann: Ich würde es nicht als Problem bezeichnen, aber wenn es so weit kommen würde, wäre es ein unheimlicher Mehrwert für uns. Für die Vereine würde sich auch das Zielpublikum vergrößern. Alleine die Infrastrukturen und der medizinische Bereich sind mit den meisten anderen Vereinen nicht zu vergleichen. Wenn eine junge Spielerin sagt: "Ich bin beim SK Rapid", erzeugt das beim Gegenüber gleich ein ganz anderes Gefühl, als wenn sie sagt, sie spielt beim FC Bergheim oder beim FC Südburgenland.

STANDARD: Die Sportwelt ist seit März nicht mehr die, die sie einmal war. Inwiefern hat die Corona-Krise Sie beeinflusst?

Fuhrmann: Es war und ist eine große Herausforderung. Die Reise nach Kasachstan ist organisatorisch sehr fordernd, aber alle Spielerinnen sind gesund, und wir hoffen, dass das so bleibt.

STANDARD: Eine Sportfrage aus dem Phrasenbuch. Was erwarten Sie sich von den nächsten Spielen? Der große Gegner in der Gruppe ist Frankreich.

Fuhrmann: Ich erwarte mir, dass wir jetzt den Fokus auf Kasachstan legen. Alle reden von Frankreich, Frankreich lässt sich super verkaufen, sie sind ein Wahnsinnsgegner. Aber wir müssen zuerst nach Kasachstan.

Trainerin Fuhrmann bereitet das österreichische Nationalteam auf das Auswärtsspiel gegen Kasachstan vor.
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STANDARD: Achtung, noch eine: Pflichtsieg in Kasachstan?

Fuhrmann: Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Es ist nicht nur durch Covid eine schwierige Aufgabe. Frankreich und Serbien haben dort schon gespielt und gewonnen, aber auch da hat man gesehen, dass das kein Selbstläufer ist.

STANDARD: Pep Guardiola schwärmt noch heute von den paar Tagen, die er mit Marcelo Bielsa auf einer Ranch über Fußball philosophiert hat. Mit wem würden Sie gerne ein paar Tage auf einer argentinischen Ranch über Fußball philosophieren?

Fuhrmann: Am spannendsten wäre es, sich mit den konträrsten Charakteren zusammenzusetzen und zu schauen, was rauskommt. Also zum Beispiel der emotionale Klopp und andererseits der taktische Bielsa. Das Interessante ist die Mischung.

STANDARD: Ihre Kapitänin Viktoria Schnaderbeck hat sich kürzlich in einem bemerkenswerten offenen Brief gegen Homophobie im Fußball ausgesprochen. Ist der Fußball bei sozialen Themen oft zu leise?

Fuhrmann: Ich finde es super und wichtig, dass es auch bei uns Persönlichkeiten wie Viki Schnaderbeck oder Sarah Puntigam gibt, die diese Themen aufgreifen, ohne den Fokus auf den Sport zu verlieren.

STANDARD: Sie sind also keine Chefin, die ihren Spielerinnen den Mund verbieten würde?

Fuhrmann: Nein, weil auch ich hinter diesen Dingen stehe. Es ist mir aber schon wichtig, dass die Spielerinnen nicht den Fokus auf den Sport verlieren. Wenn es dann ausarten würde und sie nur mehr andere Termine hätten, wäre das nicht wünschenswert. (Andreas Hagenauer, 20.9.2020)