Bild nicht mehr verfügbar.

Österreichisch-russische Freundschaft kann sich unterschiedlich äußern. Hier tanzt Ex-Ministerin Karin Kneissl mit Russlands Präsidenten Vladimir Putin.

Foto: AP

Eigentlich sollte alles wie am Schnürchen laufen, am vorigen Dienstag. Für 9.30 Uhr hatte der Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG), Richard Schenz, zur Generalversammlung ins Palais Kaiserhaus gebeten. Präsidium und Vorstand sollten teilweise erneuert werden, ein neuer Generalsekretär statt Florian Stermann kommen.

Es kam aber ganz anders. Die Freundschaftsgesellschaft, die sich als "Plattform für die Vernetzung von Österreich und Russland auf allen Ebenen" versteht, scheint in Scherben zu liegen.

Alte Freunde

Ein Bekanntenkreis Stermanns kam an die Macht, etliche Funktionäre und wichtige Mitglieder sind ausgetreten. Der bisherige ORFG-Präsident, Wirtschaftskammer-Vizepräsident Schenz, etwa, dessen Vize, SPÖ-Nationalratsmandatar Christoph Matznetter, Vorstandsmitglied Gabriel Lansky. Harald Mahrer (Präsident der Wirtschaftskammer; ÖVP) wird austreten, die Baugesellschaft Strabag hat es schon getan, die OMV dürfte folgen.

Anlass all dessen: eine Wirecard-Connection. Der in Russland bestens vernetzte Unternehmer Stermann soll geheime Informationen von Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek an die FPÖ weitergegeben haben. Über Stermann kamen Wirecard und Exchef Markus Braun und Marsalek als Mitglieder in den Verein; wegen ihrer Großzügigkeit (10.000 Euro im Jahr) wurden sie 2011 zu "Senatoren" gekürt. Einfache Mitglieder zahlen sonst 100 Euro im Jahr, Unternehmen je nach Mitarbeiterzahl 1000 bzw. 2000 Euro.

Rühriger Stermann

Nach Auffliegen des Wirecard-Skandals habe man Stermann nahegelegt, nicht mehr zu kandidieren, das habe er auch zugesagt, erzählt Schenz. Gekommen ist dann alles anders. Der für seine Rührigkeit bekannte Stermann (für den STANDARD nicht zu erreichen) konnte viele ihm wohlgesinnte Mitglieder motivieren, einen Alternativ-Wahlvorschlag samt neuen Statuten zu unterstützen.

Nun ist der in Russland hochaktive Berater Maximilian Stephan Habsburg-Lothringen Präsident, Generalsekretär wurde Stermanns Anwalt Markus Stender und einer seiner Verwandten ist nun Finanzreferent. Präsidium und Vorstand, der beratend tätig ist und dem zuletzt 43 Manager, Funktionäre und Politiker aller Farben angehörten, wurden massiv verkleinert.

"Ich bin kein Demokrat"

Habsburg-Lothringen, neuer Präsident, bedankte sich für seine Wahl, die auch lauten Beifall vom russophilen Ex-Vorstandsmitglied Johann Gudenus (früher: FPÖ) hervorrief, so: "Ich bin kein Demokrat, aber ich werde mich bemühen, das Amt demokratisch auszuüben." Ja, so oder so ähnlich habe er das gesagt, bestätigt Habsburg-Lothingen auf Anfrage des STANDARD. Er bestreitet aber die Darstellung einiger Generalversammlungsteilnehmer, er habe dies damit begründet, dass er als Aristokrat ein Monarchist sei. "Monarchist bin ich nicht, die Monarchie ist vorbei. Ich bin in einer roten Gemeinde aufgewachsen (in Kärnten; Anm.) und schwarz erzogen worden."

In seinen Augen war die Freundschaftsgesellschaft bisher in parteipolitischer, vor allem in roter Hand, das solle anders werden. Hier nur ein paar der einstigen Präsidenten: Stermann, Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP), Raiffeisen-Bankchef Ludwig Scharinger, Schenz. Ehrenpräsident ist der jeweilige Botschafter der Russischen Föderation in Österreich.

Schenz sagt, Parteipolitik habe im Verein keine Rolle gespielt, "außer dass die Blauen recht stark vertreten waren, auch dank Stermann". Der sei ein sehr aktiver Generalsekretär gewesen, habe viele Mitglieder gewonnen – aber wegen der Verbindungen zu Wirecard hätten sich "viele Leute beschwert".

2000 gegründet

Stermann hatte die Freundschaftsgesellschaft 2000 gegründet, nachdem die "Österreichisch-sowjetische Gesellschaft" ihre Tätigkeit 1991 eingestellt hatte. Man fördert den Kulturaustausch, holt Kinder für Ferien nach Wien, schickt Schüler und Studenten nach Russland, hilft beim Visum – vor allem aber dient die ORFG als Netzwerk für Unternehmen, Manager und Politiker, die in Russland tätig sind oder dort Fuß fassen wollen.

Unter den rund mehr als 4000 Mitgliedern (500 davon sind stimmberechtigt) sind die größten Unternehmen Österreichs, die sich bei ihren Mitgliedsbeiträgen nicht lumpen lassen. 2016 zählten laut APA 16 Unternehmen zu den "Senatoren", die je mindestens 10.000 Euro im Jahr zahlen. Darunter Wirecard, Magna, Novomatic, Strabag oder Signa. Die Unternehmen sind denn auch die Hauptfinanziers der Gesellschaft.

Kontaktpflege

Was die Freundschaftsgesellschaft leistet, beschrieb ein Mitglied im Kurier einst so: "Sie ist effizienter als eine Botschaft, ein Anruf genügt, und die Sache ist geritzt", es gehe um "flexible Kontaktpflege".

Selbige wird vor allem bei den regelmäßigen Zusammenkünften des Vereins im Spiegelsaal des Palais Kaiserhaus gepflegt. Kurzer Auszug der Vortragenden: Sebastian Kurz (2012), Peter Schröcksnadel (2013), Hannes Androsch (2014), Heinz-Christian Strache (2015), Harald Mahrer (2016), Andrä Rupprechter (2017), Peter Goldgruber aus dem Innenministerium (2018), Margarete Schramböck (2019). In diesem Jahr war auch Ex-Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) Ehrengast, sie trug zum Thema "Russland im aktuellen geopolitischen Umfeld" vor. (Renate Graber, 19.9.2020)