Die Raser sind eine unheimliche Gruppierung, besonders die notorischen. Jeder kennt sie vom Sehen, selten persönlich, und bevor man sich das Kennzeichen merken kann, sind sie auch schon wieder weg. Manchmal trifft man sie vor der nächsten Ampel wieder, kann aber durch die getönten Scheiben das hässliche Grinsen nicht erkennen. Was die Wut auf diese rücksichtslosen Gesellen auch nicht gerade mindert. Sogar Raser hassen Raser.

Aber jetzt kommen die Grünen und versprechen: "Härtere Strafen für Raserei. Höhere Bußgelder. Längerer Führerscheinentzug. Bei besonders schweren Fällen: Abnahme des Autos", heißt es im aktuellen Facebook-Nachschlag von Verkehrsministerin Leonore Gewessler zu ihrem jüngst vorgestellten Maßnahmenpaket. Sie möchte nicht mehr zuschauen, "wenn sich Raser ein ums andere Mal in ihr Auto setzen, mit absurden Geschwindigkeiten, völlig fahrlässig andere Verkehrsteilnehmende, vielfach Kinder, gefährden". Und da ist es wieder, dieses Gefühl von Wut, Hass und Rachegelüsten.

Sogar Raser hassen Raser.
Foto: imago/Rolf Kremming

Es überrascht doch sehr, dass die Grünen so populistisch ein Fass aufmachen, dessen Inhalt sich durchaus hohe Aufmerksamkeit verdiente. Nicht angepasste Geschwindigkeit ist tatsächlich eines der größten Probleme im Straßenverkehr. Fünfzig Menschen sind heuer im ersten Halbjahr gestorben, weil Lenker und Lenkerinnen zu schnell unterwegs waren und einen tödlichen Unfall verursacht haben oder nicht mehr vermeiden konnten.

Natürlich ist es ein schweres Vergehen, wenn jemand mit 150 Sachen durch eine Ortschaft rast – ein Vergehen, das übrigens auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Aber mit diesem Bild vom illegalen Rennfahrer eine Initiative zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zu setzen ist verfehlt. Denn nicht angepasste Geschwindigkeit heißt nicht unbedingt, dass ein generelles Tempolimit überschritten wurde. In einer unübersichtlichen Kurve können schon 30 km/h zu viel sein, bei dichtem Nebel kann auf der Landstraße Schritttempo angemessen sein.

Wenn es um den Grundsatz "angepasste Geschwindigkeit" geht, werden viele von uns nur allzu schnell zu Rasern. Die größte Vorsicht ist auf Straßen angebracht, die wir kennen. Denn dort ereignen sich die meisten Unfälle. Das muss in unsere Köpfe, Law and Order hilft da wenig. (Michael Simoner, 18.9.2020)